Der Körperbau der Sauropoden

 

Ältere Ansichten. Nachdem wir uns einen Überblick über die Anordnung und Strukturbesonderheiten der hinteren Extremitäten der Dinosaurier verschafft haben, gilt es nun, spezieller zu werden. Beginnen wir bei unserer Betrachtung des Körperbaus mit der Gruppe, die schlechthin mit dem Namen "Dinosaurier" in Verbindung gebracht wird und auch die gewaltigsten Vertreter entwickelte: den Sauropoden.

Man nimmt im allgemeinen an, daß die Sauropoden nicht nur riesig groß, sondern auch besonders schwer waren. So wird das Lebendgewicht eines Brachiosaurus zum Beispiel auf fast 80 t (Colbert, 1962) geschätzt. Angesicht solcher Körpermassen, die diese Tiere mit sich herumschleppen mußten, stellt sich die Frage, wie es wohl den Sauropoden gelang, derartige Lasten zu tragen. Es ist schwer vorstellbar, daß diese Leistung allein durch das Tier erbracht werden konnte. Lediglich die rezenten Wale übertreffen die Sauropoden im Körpergewicht. Bei ihnen handelt es sich jedoch nicht um landbewohnende (terrestrische) sondern ausschließlich um meereslebende (marine) Formen. Der Auftrieb des Wassers ermöglicht hier Gewichte bis an die 100 t. Und so glaubte man lange Zeit, auch in den gigantischen Sauropoden wasserlebende Formen vor sich zu haben. Die frühen Rekonstruktionen von z.B. Apatosaurus zeigen demnach teilweise untergetauchte Wasserbewohner, die zu einer Fortbewegung auf festem, trockenem Boden nicht fähig waren (Abb.). Das Wasser verminderte durch seinen Auftrieb das Gewicht des riesigen Körpers und verringerte so den enormen Druck, der auf die knorpligen Gelenkflächen der Gliedmaßen lastete. An Land freilich hätten die Gelenke bereits bei den geringsten Bewegungen qualvoll geknirscht. Dem Einwand von Samuel Wendell Williston, die Tiere hätten wohl wenigstens zur Eiablage trockene Ufer oder Sandbänke aufsuchen müssen, begegnete William Diller Matthew (1915) mit der Vorstellung, daß die Sauropoden durchaus vivipar gewesen sein konnten, d.h. lebende Jungen zur Welt brachten. Die Geburt derselben könne ebenso wie es von den rezenten Walen oder auch von den sekundär zum marinen Leben zurückgekehrten fossilen Ichthyosauriern und Mosasauriern bekannt ist, im Wasser erfolgen.

Damit treten uns die Sauropoden in traditioneller Weise als ausschließlich aquatisch lebende Formen entgegen. Und es scheint vieles dafür zu sprechen, insbesondere das enorme Körpergewicht, welches nicht vom Tier selbst getragen werden konnte. Wir müssen uns dennoch fragen, ob dieses Bild des trägen Süßwasserbewohners, der so schwer war, daß er sein Eigengewicht nur im Wasser unter Kontrolle halten konnte, überhaupt der Realität entspricht. Dazu ist es notwendig, die für bzw. gegen eine aquatische Lebensweise sprechenden Argumente gegeneinander abzuwägen.

 

Gewichtbestimmungsmethoden. Das enorme Lebendgewicht der Sauropoden wird als wichtigstes Indiz für eine Lebensweise in einer der Körpergröße angemessenen Wassertiefe von Seen und Lagunen ins Feld geführt. Aber wie kommt man überhaupt zu derartigen Angaben über die Körpermasse von Lebewesen, die doch lediglich auf Grund fossilem Skelettmaterials bekannt sind? In der Vergangenheit wurden verschiedene Methoden entwickelt, die helfen sollten, daß Lebendgewicht fossiler Tiere zu bestimmen.

Eine weit verbreitete Möglichkeit, die Masse m von Dinosauriern abzuschätzen, erfolgt unter Zuhilfenahme der bereits aus dem Physikunterricht bekannten Beziehung: . Dazu muß zunächst das Volumen V des betreffenden Tieres ermittelt werden. Man erarbeitet sich dafür ein maßstabsgetreu verkleinertes Modell des Skeletts und modelliert daran die Muskulatur, deren Ausmaße und Gestalt aus den Ansatzstellen an der Knochenoberfläche erschlossen werden kann. Die somit erhaltene Nachbildung des lebenden Tieres wird nun in einem geeigneten wassergefüllten Meßgefäß vollständig untergetaucht. Anhand der Wasserverdrängung läßt sich das Volumen des Modells ermitteln, welches schließlich nur noch auf das Volumen des lebenden Dinosauriers umgerechnet werden muß. Dabei ist das Modellvolumen mit der dritten Potenz der linearen Dimension des Maßstabes zu multiplizieren. Das Volumen einer beispielsweise im Maßstab 1 : 50 angefertigten Nachbildung müßte demnach mit 50 ´ 50 ´ 50 = 125 000 als Faktor vervielfacht werden. Letztlich wird das so gewonnene Volumen des lebenden Dinosauriers mit dem Zahlenwert des spezifischen Gewichtes V multipliziert. Da dieser jedoch unbekannt ist, muß ein an heute lebenden Tieren abgeleiteter Vergleichswert eingesetzt werden. Rezente Krokodile sind ungefähr 0,8 bis 0,9 mal so schwer wie ihr durch Wasserverdrängung ermitteltes Volumen. Nimmt man dies als Vergleichswert an, so muß man das errechnete Volumen des Dinosauriers mit 0,8 bzw. 0,9 multiplizieren und erhält somit das Gewicht des betreffenden Tieres in Gramm.

Anhand dieser Gewichtsbestimmungsmethode ermittelte Edwin Colbert (1962) u.a. für Diplodocus ein Gewicht von 10,56 t und für Apatosaurus 27,87 t bzw. 32,42 t. Robert T. Bakker (1980) benutzt die gleiche Vorgehensweise, erhält allerdings größere Werte: Er gibt für Diplodocus 15 t und für Apatosaurus 30 bis 35 t an. Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Abhängigkeit von den verwendeten Modellrekonstruktionen. Ein falsch rekonstruiertes Modell hat automatisch fehlerhafte Werte zur Folge. Bereits kleine Unebenheiten in der Verarbeitung der verwendeten verkleinerten Nachbildung fallen bei der nötigen, späteren Umrechnung auf das Realvolumen viel stärker ins Gewicht und bewirken falsche, in der Regel zu große Angaben. Weiterhin müssen die Zahlenwerte des spezifischen Gewichtes diskutiert werden. Auch diese Angaben sind nicht aus den Fossilien ablesbar, müssen daher in Analogie zu den nächsten rezenten Verwandten der Dinosaurier, den Krokodilen und wohl eher den Vögeln, gewonnen werden. Aber auch dann müssen sie nicht in jedem Fall stimmen. Die an Vögeln gefundenen Werte eignen sich sicherlich bestens für Gewichtsbestimmungen an Theropoden, vor allem bei den kleineren Coelurosauriern. Bei pflanzenfressenden (herbivoren) Dinosauriern, insbesondere bei den Sauropoden, sollte dagegen an die riesigen Bäuche gedacht werden, die durch die großen Blinddärme im Innern sicherlich ein geringeres spezifisches Gewicht aufwiesen.

Eine andere Methode der Gewichtsbestimmung praktizieren P. Béland & D.A. Russel (1980), indem sie die Masse aus der Hälfte der Summe der Querschnitte von Humerus (Oberarmknochen) und Femur (Oberschenkelknochen) ableiten. Dabei gelangen sie zu recht niedrigen Werten: So geben sie zum Beispiel für Brachiosaurus, der nach Colbert (1962) 78,26 t "auf die Waage" gebracht haben soll, nur 14,9 t an.

Anhand von Vergleichsuntersuchungen an rezenten Großsäugetieren im südafrikanischen Krüger Nationalpark schlagen J.A. Anderson, A. Hall-Martin & D.A. Russel (1985) zwei weitere Formeln zur Schätzung des Gewichtes von Dinosauriern vor:

für quadrupede Formen m = 0,078 U sowie

für bipede Formen m = 0,16 U

 

Dabei bedeuten: m Masse des betreffenden Tieres

UH+F kombinierter Umfang von Humerus und Femur

UF Umfang Femur.

 

Die nach diesen Formeln berechneten Werte weisen für Apatosaurus 26 bis 35 t, für Diplodocus 5 t und schließlich für Brachiosaurus 29 t aus. Weitere Gewichtsangaben sind der Tabelle 2.2/1 (in Anlehnung an Haubold, 1989) zu entnehmen.

Prinzipiell läßt sich das reale Gewicht eines Tieres nicht absolut nach den vorgestellten Methoden, die zudem noch zu sehr differierenden Angaben führen, berechnen, hängt es doch u.a. auch vom Alter und Ernährungszustand des Individuums ab. Dennoch erscheinen derartige Rekordwerte wie 77 bis 102 t für Brachiosaurus oder gar 136 t für Ultrasaurus als unrealistisch und sind zu verwerfen, wogegen den Angaben von Béland & Russel (1980) sowie Anderson, Hall-Martin & Russel (1985) eine höhere Wahrscheinlichkeit einzuräumen ist. Selbst 15 t Lebendgewicht für Brachiosaurus sind eine ungeheure Last, die von einem Tier erst einmal getragen werden mußte. Ein Afrikanischer Elefant, das gewichtigste rezente Landtier, bringt mit seinen maximal 7 t (Bulle) gerade mal die Hälfte bis ein Drittel dieses Gewichtes auf. Dennoch zeigen diese Werte, daß die riesigen Sauropoden durchaus in der Lage gewesen wären, ihre massigen Körper an Land zu bewegen.

 

Fossile Fährten aus der unteren Kreide, die 1953 Roland T. Bird vom West Verde Creek in Texas beschrieb, zeigen die typischen rundlichen Trittspuren eines Sauropoden zwischen denen eine tiefe kontinuierliche Furche verläuft, welche ohne Zweifel vom hinterhergezogenen Schwanz des Sauriers stammt, und belegen somit zumindest gelegentliche Landausflüge. Offensichtlich waren die Sauropoden also auch an Land "gut zu Fuß", denn im Wasser hätte sich auf Grund des Auftriebes der Schwanz im Untergrund nicht eingedrückt. Wir müssen daher von dem Bild eines ausschließlichen Wasserbewohners abrücken und betrachten nun die Sauropoden als semiaquatisch, d.h. als Tiere, die sowohl im Wasser als auch an Land "zu Hause" waren. Unser Bild der Elefantenfußdinosaurier ähnelt nun mehr dem eines riesigen amphibischen Flußpferdes.

Wie stark war die Bindung an den Lebensraum Wasser nun aber wirklich? Lebten die Sauropoden vorwiegend im "nassen Milieu" mit gelegentlichen Landausflügen oder bevorzugten sie den Aufenthalt an trockneren Gebieten? Eine Beantwortung dieser Frage macht es nötig, die Skelettanatomie dieser faszinierenden Tiere näher zu studieren.

 

Wie an späterer Stelle noch genauer auszuführen ist, waren die riesigen Sauropoden Vegetarier, die über ein gigantisches Verdauungssystem verfügen mußten, dessen Masse den Körper vorn herunterzog. Somit konnte das Körpergewicht dieser Tiere, wie zum Beispiel Diplodocus, auf vier Beine verteilt werden. Demzufolge finden wir innerhalb der Gruppe der Sauropoden ausschließlich quadrupede Formen, deren vertikal unter dem Körper stehende Gliedmaßen als Säulen das enorme Gewicht trugen. Welche anatomischen Besonderheiten machten es den Extremitäten der Sauropoden möglich, als Stützpfeiler des gewaltigen Körpers zu dienen? Betrachten wir dazu die Beine eines ihrer bekanntesten Vertreter, des Diplodocus.

Die Hinterbeine, die den größten Teil des Körpergewichtes einschließlich des schweren Schwanzes tragen mußten, sind entsprechend robust ausgeprägt. Der längste Knochen der Hinterextremität, der Femur (Oberschenkelknochen) ist besonders stämmig und dickwandig. Sein ovaler Querschnitt ist seitlich verbreitert. In seinem Schaft verläuft der Femur außerordentlich gerade - eine Voraussetzung zum Tragen enormer Lasten. Eine Biegung in seinem Verlauf hätte ein Bersten der Struktur unter Belastung beim Aufsetzen des Beines zur Folge gehabt. Die Knochen des Unterschenkels, die innere Tibia (Schienbein) und die äußere Fibula (Wadenbein), sind kürzer als der Femur (das Verhältnis des Femurs zur Tibia beträgt 1 : 0,63). An den Langknochen läßt sich generell eine Verstärkung der Gelenkflächen durch Knorpelanlagerung feststellen. Knorpelgewebe gibt unter hoher Belastung leicht nach und paßt sich einer Oberfläche haargenau an. So konnte der Druck über diesen Arealen besser verteilt werden.

Der Hinterfuß des Diplodocus besitzt 5 kurze Metatarsalia (Mittelfußknochen), die aufwärtssteigend in einem flachen Bogen angeordnet sind und so dem Fuß eine elefantenähnliche Struktur gaben. Beim lebenden Tier saß das Fußskelett, wie die fossil überlieferten runden Fußabdrücke zeigen, einem dicken, keilförmigen, bindegewebigen Polster auf, lediglich die wulstig abgestumpften Zehen hatten als einzige knöcherne Teile Bodenkontakt. Somit erweisen sich Diplodocus und mit ihm alle Sauropoden als typische Zehengänger. Eine derartige Fußstruktur half dem Tier bei seiner Fortbewegung Energie zu sparen, da der Mittelteil des Fußes nicht bei jedem Schritt unter großen Anstrengungen hochgestemmt werden mußte. Zudem waren die polsterförmigen Absätze beweglich und dehnbar, so daß sie sich ideal den Unebenheiten des Geländes anpassen konnten.

Die Phalangen, die eigentlichen Zehenknochen, sind stark reduziert. Ihre Anzahl wird in der sogenannten Phalangenformel angegeben. Der innere erste Zeh verfügt über 2 Phalangen, der zweite dagegen über 3. Die jeweils letzten Phalangen der beiden inneren Zehen bilden kräftige Klauen, über deren Funktion nur wenig bekannt ist. Vielleicht dienten sie dem Tier dazu, eine Grube für die Eiablage auszuheben, oder halfen ihm einfach bei der Fortbewegung in hügeligen Gelände, indem sie ein Abrutschen verhinderten. Die mittlere dritte Zehe besteht aus 4 Phalangen und endet in einer eher hufähnlicheren Kralle. Die beiden äußeren, vierten und fünften Zehen, deren Endglieder nicht als Krallen ausgebildet sind, weisen lediglich 2 bzw. 1 Phalange(n) auf. Vermutlich trugen sie abgerundete Hornüberzüge. Damit ergibt sich die für die Hinterfüße der Sauropoden typische Phalangenformel: 2.3.4.2.1.

Die Hinterextremitäten der Sauropoden waren sehr wohl in der Lage, das auf ihnen lastende enorme Gewicht ohne die unterstützende Kraft des Wassers zu tragen. Anhand Berechnungen mittels der Querschnittsfläche der Gliedmaßenknochen wies Robert Mc Neill Alexander (1976, 1985) sogar nach, daß es den Hinterbeinen der gigantischen Tiere durchaus möglich war, die gesamte Körpermasse an Land abzustützen. Dementsprechend konnten sich die Sauropoden vielleicht sogar, nur auf die Hintergliedmaßen und den langen Schwanz gestützt, hoch aufrichten. Da der Schwanz dann sozusagen als "drittes Standbein" dabei half, das Gleichgewicht zu halten, spricht man häufig von einem tripodialen Stand.

Bei quadrupeden Tieren ähneln in der Regel die Vorderbeine im Aufbau sehr stark den Hinterextremitäten, sind vielleicht leichter gebaut, da ihnen eine geringere Stützfunktion zukommt. Bei Diplodocus erreichen die Vorderbeine etwa 2/3 bis 3/4 der Länge der Hinterbeine. Die größten Unterschiede im Bau der Vorder- und Hintergliedmaßen bestehen jedoch in der Hand- bzw. Fußstruktur. Die Hand weist im Gegensatz zum Fuß fünf relativ lange und dickere Metacarpalia (Mittelhandknochen) auf. Diese schließen sich zu einer fast senkrecht stehenden Gruppe säulenförmiger Träger zusammen, deren obere Gelenkflächen einen Halbkreis unterhalb der Handwurzel und den Unterarmknochen, Ulna (Elle) und Radius (Speiche), bilden. Damit wurde auch hier über eine der Hand des Elefanten ähnlichen Struktur eine optimale Stütze des Körpergewichtes erreicht.

Die kurzen Phalangen der Hand sind stärker reduziert als die des Fußes. Wie die Phalangenformel 2.1.1.1.1. zeigt, weisen der zweite bis fünfte Fingerstrahl lediglich ein kurzes Endstück, welches beim lebenden Tier von einer Hornplatte bedeckt wurde, auf. Die Endphalange des inneren ersten Fingers ist als kräftige Kralle ausgebildet. Neben der Unterstützung der Fortbewegung half sie vielleicht bei der Verteidung gegen einen angreifenden Raubdinosaurier, wenn sich der Sauropode zur Abwehr auf seinen Hinterbeinen und den Schwanz (tripodialer Stand) aufrichtete.

Der Humerus (Oberarmknochen) artikuliert mit seinem oberen Ende in der Gelenkpfanne des Schultergürtels, welche als Fossa glenoidalis bezeichnet wird. Die Schultergelenkspfanne wird oberhalb (dorsal) von dem großen Schulterblatt, der Scapula, unterhalb (ventral) vom kleineren Rabenbein (Coracoid) begrenzt. Beide Knochen des Schultergürtels sind eng miteinander verbunden und zuweilen ganz verwachsen. Bei den Reptilien, Vögeln und Kloakentieren (Monotremata) wird ein beträchtlicher Teil der Gelenkfläche der Fossa glenoidalis vom Rabenbein gebildet. Dieses ist jedoch bei den höheren Säugetieren lediglich bis auf einen kleinen, dem Muskelansatz dienenden Fortsatz am unteren Scapularand reduziert und gehört dann nicht mehr zur Gelenkfläches des Humeruskopfes. Damit erhalten die Vorderbeine einen größeren Bewegungsradius und können infolge direkt unterhalb des Körpers angeordnet werden. Diese Entwicklung ist auf die höheren Mammalier beschränkt und fand nicht bei den Dinosauriern statt. Bei letzteren wurde dagegen das Coracoid als Teil der Gelenkfläche beibehalten. So mußten die quadrupeden Dinosaurier, wie die Sauropoden aber auch alle anderen vierfüßigen Formen, einen anderen Weg beschreiten, um eine möglichst vertikale Anordnung der Vorderbeine zu erlangen. Sie erreichen dies durch eine Vervollkommnung der Gelenkfläche der Fossa glenoidalis. Das bei den Reptilien, z.B. Krokodilen, unterhalb der Schultergelenkpfanne gelegene Rabenbein erfährt eine Verdickung und damit Vergrößerung der Gelenkfläche und ordnet sich vor der ebenfalls vergrößerten Scapula an, die ihrerseits den Humeruskopf mehr von hinten und oben stützt. Die Scapula bildet weiterhin eine Leiste, die sie nach unten verstärkt. So konnten die Vorderextremitäten eine vertikale Ausrichtung erfahren. Die früher geäußerte Ansicht, daß die Vorderbeine im Ellenbogengelenk noch leicht nach außen wiesen und somit eine breitspurige Stellung einnahmen, da sie der schwere Hals auseinanderdrückte (Abel, 1927). gehört der Vergangenheit an.

Robert T. Bakker (1971) weist darauf hin, daß die Sauropoden wohl mit ihren, für das ihnen zugeschriebene enorme Körpergewicht, relativ schmalen Füßen im Schlamm der Sumpflandschaft tief eingesunken und steckengeblieben wären. Die meisten Vertreter lebten daher wohl in Gebieten mit festen, trockenen Bodenverhältnissen. Die statisch günstige Anordnung der Extremitäten und die Körperproportionen der Sauropoden entsprechen eher denen terrestrischer Tiere, und erlaubten das Tragen größerer Körpergewichte an Land ohne den unterstützenden Auftrieb des Wassers. Damit waren die Sauropoden für eine terrestrische Lebensweise gut ausgerüstet. Sie mußten allerdings während des Gehens die Beine, die das Körpergewicht stützten, mehr oder weniger gerade halten, um ein Bersten der belasteten Knochen zu vermeiden. Lediglich im Verlauf der Schwingphase, praktisch dann, wenn ein Bein angehoben und in eine neue Ausgangslage gebracht wird, konnte das entlastete Bein gebeugt werden. Infolge dessen liefen die Sauropoden ähnlich wie die heutigen Elefanten, vielleicht ebenfalls im Paßgang. Dabei bewegen sich die Gliedmaßen einer Körperseite (ipsilaterale Extremitäten) mehr oder weniger synchron nach vorn, so daß ihre Füße fast gleichzeitig in der Luft schwingen. Nach dem Aufsetzen der ipsilateralen Beine verlagert sich das gesamte Körpergewicht nun auf diese eine Seite, um das Abheben der Gliedmaßen der gegenüberliegenden Flanke zu ermöglichen.

 

Zwischen den Vorder- und Hinterextremitäten spannt sich, leicht nach oben gewölbt, die Rumpfwirbelsäule des Diplodocus gleich der Fahrbahn einer Hängebrücke zwischen ihren Stützpfeilern. Ihr bogenförmiger Verlauf erlaubte es, das enorme Gewicht, welches sie zu tragen hatte, von der Mitte zu ihren Enden, den Bereichen, die direkt von den massiven Beinen gestützt wurden, zu verlagern. Die Rückenwirbelsäule besteht aus 10 opisthocoelen Rückenwirbeln, die im vorderen Bereich gewölbt, im hinteren dagegen ausgehöhlt sind sowie Ansatzpunkte für die langen zweiköpfigen Rippen, die dem riesigen Leib Halt gaben und die inneren Organe schützten, beinhalten. Im vorderen Thoraxbereich schließen sich ventral (bauchwärts) an den Schultergürtel zwei Sternalplatten an, welche jedoch keinen Kontakt mit den Rippen haben. Die Brust der Elefantenfußdinosaurier zeigt nicht die typische rundliche Tonnenform der heutigen amphibischen Flußpferde, sondern ist schmal und tief wie bei den rezenten Elefanten (Bakker, 1971).

Die Rückenwirbel besitzen hohe nach oben abstehende Dornfortsätze (Neurapophysen), die als Ansatzpunkte der kräftigen Rückenmuskulatur dienten. Die stachligen Dornfortsätze des Diplodocus sind z.T. in ihrer Mitte (median) gegabelt (bifid). Am lebenden Tier bildete diese Furche die Ansatzstelle dicker, seilähnlicher Sehnen (Achsenligamente), die sich über die gesamte Länge der Wirbelsäule erstreckten und so einen effizienten Stützapparat für Hals, Rücken und Schwanz bildeten, der keine gigantischen Muskelkräfte erforderlich machte. Der Sauropode konnte ohne Probleme Hals und Schwanz während der Fortbewegung und beim Stillstehen anheben.

In der Kreuzbeinregion der Wirbelsäule erfolgt eine enge Verschmelzung der von den fünf Sacralwirbeln beiderseits ausgehenden kurzen, kräftigen Rippen mit den dorsalen Anteilen des Beckengürtels, den Darmbeinen (Ilium). Die verlängerten, mittleren Dornfortsätze der Sacralwirbel sind miteinander ebenfalls verwachsen. So entsteht eine stabile Funktionseinheit, die die Hinterextremitäten mit der Wirbelsäule fest verbindet.

Das Becken der Sauropoden zeigt die für Saurischier typische triradiate Anordnung: Das plattenförmige Schambein (Pubis) zeigt nach vorn-unten, während das lange, schlanke Sitzbein (Ischium) nach hinten-unten verläuft. Die Beckenknochen Pubis und Ischium beider Seiten treffen ventral in der Mitte des Beckens aneinander und bilden die sogenannte Beckensymphyse. Die Darmbeine der Sauropoden sind seitlich betrachtet in Kopf-Schwanzrichtung (anteriorposterior) recht kurz mit größeren Vorderflügel (Anteil des Ilium vor dem Acetabulum) und ziemlich hochgewölbt. An der Stelle, an der das Ilium an das Schambein grenzt, zeigt letzteres eine deutliche Verbreiterung.

 

Der Schwanz des Diplodocus besteht aus 70 Wirbeln, die zunächst scheibenförmig mit hohen Neuralfortsätzen ausgebildet sind, welche zum Schwanzende hin zunehmend kleiner und flacher werden, schließlich ganz verloren gehen. Das Endstück des Schwanzes wird von schmalen Knochenzylindern gebildet und läuft in Form einer dünnen Peitsche aus. An der Unterseite der Schwanzwirbel ragen die sogenannten Haemalbögen herab, gabelförmige Knochenfortsätze, die am lebenden Tier große, direkt unterhalb der Wirbelsäule verlaufende Blutgefäße, die den Schwanz versorgten, umschlossen. In Beckennähe besitzen die Haemalbögen lange Fortsätze, die dem Muskelansatz dienten. Zur Schwanzmitte hin werden sie fortschreitend kleiner und flacher, zeigen kopf- und schwanzwärts einen deutlichen Fortsatz, bis sie schließlich ganz fehlen. Sie dienten dem Schutz der die Schwanzmuskulatur versorgenden Blutgefäße, wenn der Schwanz bei der Fortbewegung auf dem Boden schleifte.

Nur wenige fossile Fährten belegen allerdings, daß die Sauropoden ihren langen Schwanz beim Laufen auf dem Erdboden hinter sich herzogen. Wahrscheinlich berührte der Schweif während der Fortbewegung kaum die Erde. Die dicken, elastischen Ligamente, die ausgehend von der Hüfte den Schwanz durchliefen, ermöglichten es, ihn ohne großen Kraftaufwand beim Laufen in der Höhe zu halten. Der große Schwanz diente an seiner Basis beim lebenden Tier dem Ansatz kräftiger Beinmuskulatur. Er half auch dabei, den langen Hals auszubalancieren.

 

Obwohl Diplodocus den längsten Schwanz aller Dinosaurier besaß, so wird er in der Halslänge von einem chinesischen Verwandten, dem Mamenchisaurus aus der Shanshaximiao-Formation (Ob. Jura) Sichuans, übertroffen. Bei einer Gesamtlänge von etwa 22 m erreicht der Hals dieses Sauropoden eine phantastische Länge von fast 10 m! Die Halswirbelsäule der Elefantenfußdinosaurier wird von mindestens 12 Hals(Cervical)wirbeln, bei Diplodocus von 15 gebildet. Diese sind außerordentlich stark verlängert und besitzen eine bemerkenswert komplizierte Struktur. Im Bereich der Wirbelzentren sind sie durch sogenannte Pleurocoele seitlich ausgehöhlt, so daß sich eine kavernöse Struktur mit unübersichtlichen Knochenvorsprüngen (Apophysen), welche der Befestigung der Halsmuskulatur dienten, bildet. An den oberen (dorsalen) Bereichen der Cervicalwirbel finden sich wieder jene dem Muskelansatz dienende Dornfortsätze, welche zunächt bescheiden ausgeprägt sind, aber in Richtung des Rumpfes zunehmend an Größe gewinnen. Wie im Rücken- und vorderen Schwanzbereich zeigen die Neuralfortsätze eine typisch bifide Struktur, welche am lebenden Tier Ansatzpunkt für die massiven Ligamente waren, die den Hals in seiner mehr oder weniger waagerechten Position hielten. Die Halswirbel verschmelzen mit den relativ langen spangenförmigen Halsrippen, an denen Halsmuskeln ihren Ansatz fanden, die für seitliche Bewegungen verantwortlich waren. Die Cervicalrippen verlaufen zunächst nach hinten und vorn, während der vordere Abschnitt in Richtung Rumpf fortlaufend kleiner wird und im gleichem Maße der hintere an Größe zulegt. Die Rippen erscheinen dann hakenartig nach hinten gewendet.

Die kavernöse Struktur der Halswirbel hält das Gewicht des Halses gering. Sie reduziert das Wirbelgewicht, in dem sie gleichzeitig durch die sich kreuzenden Balken und Platten eine Versteifung und Festigung des Wirbels gewährleistet. Bei deratig gigantischen Landtieren wie den Sauropoden kam es insbesondere darauf an, das Gesamtgewicht des Körpers auf einen "tragbaren" Minimalwert zu halten. Infolge dessen waren jegliche, auch noch so geringe Einsparungen erwünscht, reduzieren sie doch in ihrer Summe den Stützaufwand des Körpers. Neben den seitlichen Löchern (Pleurocoelen) in den Wirbeln der Hals- und Rumpfwirbelsäule zeigen vor allem die größten Vertreter der Sauropoden hohle Rippen, in deren Innern kleine vertikale Streben eine enorme Festigkeit bei geringem Gewicht ermöglichen.

Im Berliner Museum für Naturkunde steht neben einem etwa 25 m langen, schwarzgefärbten Gipsabguß eines Diplodocus carnegii das Skelett eines anderen großen Sauropoden, des Brachiosaurus brancai. Die Überreste dieses Tieres wurde zusammen mit denen einiger anderer Dinosaurier (u.a. Dicraeosaurus, Barosaurus, Elaphrosaurus, Dysalotosaurus und Kentrosaurus) in den Jahren 1909 bis 1912 unter der Leitung von Werner Janensch (1878 bis 1969) in den Tendaguru-Schichten (Ob. Jura) im heutigen Tansania ausgegraben.

Im Unterschied zu Diplodocus und dem ebenfalls ausgestellten Dicraeosaurus fallen die deutlich größeren Vorderextremitäten des Brachiosaurus auf. Ihnen verdankt diese Form auch ihren Namen, der soviel wie "Armechse" bedeutet. Die Länge der vorderen Gliedmaßen entspricht bei Diplodocus etwa 3/4 der Größe der hinteren. Bei den Brachiosauriden erreichen sie mindestens die Größe der Hinterbeine, bei dem für seine Gruppe namensgebenden Brachiosaurus wurden die Vorderbeine sogar länger. Infolge dessen fällt der Rücken zum Schwanz hin ab. Die verlängerten Vordergliedmaßen richten den vorderen Körperabschnitt, Hals und Kopf, viel höher auf als bei den Sauropoden mit kürzeren Vorderextremitäten. Dieses Bild wird durch den fast vertikal gehaltenen Hals des Tieres vervollkommnet.

Die Dornfortsätze der Rückenwirbel des Brachiosaurus besitzen im Vergleich zu denen des Diplodocus oder auch des Dicraeosaurus nur eine recht geringe Höhe und sind zudem auch nicht gegabelt. Diese Bildungen stehen in deutlichem Zusammenhang mit der aufrechten Halshaltung. Je steiler der Hals nach oben gehalten wurde, um so besser verlagerte sich sein Gewicht auf die Vorderbeine und entlastete damit die Rückenmuskulatur sowie die Hinterbeine. Besonders tief liegende Achsenligamente waren daher nicht erforderlich, würden sogar die Aufrichtung des Halses behindern. Interessant sind auch die langen dünnen Halsrippen des Brachiosaurus, an denen kräftige Muskeln und Bänder befestigt waren. Sie erstrecken sich über die gesamte Wirbellänge bis zum Ansatz der darunterliegenden Halsrippe und versteifen ihrerseits den Hals, geben ihm zusätzliche Stabilität, schränken dabei jedoch seine Beweglichkeit enorm ein.

 

Der Kopf der Sauropoden wie Diplodocus oder Brachiosaurus ist im Vergleich zum restlichen Körper außerordentlich winzig. Er durfte aber auch nicht größer werden, da er ja an der äußersten Spitze eines mitunter enorm langen Halses saß. Ein zu großer Schädel würde auf Grund der aus der Hebelwirkung resultierenden Scherkräfte auch von den stärksten Muskeln nicht mehr zu halten gewesen sein.

Ein weiteres Argument für eine aquatische oder doch zumindest semiaquatische Lebensweise sah man in der Lage der äußeren Nasenöffnungen am höchsten Punkt des Sauropodenschädels, die ähnlich wie bei den Walen, den Sirenen, den Ichthyosauriern und auch bei den Krokodilen (hier allerdings am Schnauzenende) angeordnet sind. Sie schienen es zum Beispiel dem Brachiosaurus mit seinem langen, aufrecht getragenen Hals zu ermöglichen, in bis zu 12 m tiefe Gewässer vorzudringen, ohne daß dabei die Atmung beeinträchtigt wurde. Die hochgelegenen Nasenlöcher ragten noch immer aus dem Wasser hervor und der Hals besaß lediglich die Funktion eines 8 bis 9 m langen Schnorchels (Abb.).

Wie verwerflich eine derartige Darstellung ist, erkannte Kenneth Kermack (1951). Er stellte fest, daß es für einen Menschen praktisch unmöglich ist, in Wassertiefen von mehr als einen Meter mit Hilfe eines Schnorchels zu atmen (dies ist ohne größere Anstrengungen nur bis in eine Tiefe von etwa 25 cm möglich). Der Grund hierfür besteht im Wasserdruck, der bereits in geringer Tiefe viel größer als der Luftdruck ist. Er komprimiert die Lungen und preßt somit die Luft aus ihnen heraus, noch bevor sie eingeatmet werden kann. Bei den langhalsigen Sauropoden, deren Lungen fast 10 m unterhalb der Wasseroberfläche lagen, wäre schließlich der Wasserdruck auf Hals und Lunge so extrem gewesen, daß die Luftröhre und die Lunge regelrecht zerquetscht worden wären.

Eine ähnliche Lage der Nasenöffnungen am Schädel wie bei Sauropoden zeigen auch viele Tiere, die nicht aquatisch leben, wie zum Beispiel die Elefanten und Tapire. Da es sich bei diesen Tieren um rüsseltragende Formen handelt, kann der Besitz eines kleineren Rüssels bei den Sauropoden vermutet werden. Eindeutige Beweise dafür gibt es allerdings nicht, insbesondere da die übrige Schädelanatomie keine Ähnlichkeiten mit den Schädeln rüsseltragender Säuger zeigt. Rüssellosigkeit wäre sogar eher anzunehmen, da der Rüssel das Gewicht des Kopfes stark vergrößern würde und enorme Haltungsprobleme zur Folge hätte.

 

Herz-Kreislaufsystem. Beim Brachiosaurus, der seinen Kopf in einer Höhe von ca. 12 bis 15 m trug, bestanden Probleme anderer Art: Der Schädel beherbergt das Steuerzentrum des gesamten Körpers, das Gehirn. Um seine lebenswichtige Aufgabe gut erfüllen zu können, muß eine ausreichende Versorgung u.a. mit Nährstoffen und Sauerstoff durch das Blut gewährleistet sein. Aber wie kommt das Blut in 12 oder gar 15 m Höhe?

Mit ähnlichen Problemen müssen auch die rezenten Giraffen leben. Sie tragen zwar ihren Kopf nur in etwa 5,8 m Höhe; dennoch ist der hierfür erforderliche Blutdruck, den das Herz der Giraffe aufbringen muß, um den "Lebenssaft" durch den Körper zu pumpen, enorm. Die Giraffe ist ein Säugetier und verfügt als solches über ein vollständig in zwei Hälften geteiltes Herz. Der rechte Teil des Herzens, genauer die rechte Herzkammer (Ventrikel), pumpt das sauerstoffarme, aber kohlendioxidreiche (venöse) Blut über die Lungenarterie in den Lungenkreislauf. Es erfolgt innerhalb der Lunge eine Aufzweigung des Gefäßsystems in viele kleine, zarte Kapillaren, an denen der Gasaustausch, die sogenannte äußere Atmung, vollzogen wird. Der Sauerstoff der eingeatmeten Luft dringt durch die Membranen der Kapillaren ein und wird im Blut vom Haemoglobin der Roten Blutkörperchen (Erythrocyten) gebunden. Im gleichem Maße gibt das Blut Kohlendioxid an die Umgebung ab, welches ausgeatmet wird.

Das nunmehr mit Sauerstoff angereicherte (arterielle) Blut gelangt über die Lungenvene zurück zum Herzen, tritt jedoch diesmal in die linke Hälfte, genauer zunächst in die linke Vorkammer (Atrium) und von da in die linke Herzkammer, ein. Von dort pumpt das Herz das "frische" Blut in den Körperkreislauf über die große Körperschlagader, die Aorta, welche sich dann in mehrere kleinere Gefäße aufzweigt, so daß sämtliche innere Organe, u.a. auch das Gehirn, mit dem arteriellen Blut versorgt werden können. Sie entnehmen dem Blut die enthaltenen Nährstoffe und den Sauerstoff, geben im Austausch dazu Kohlendioxid und Stoffwechselendprodukte ab. Das nun mit Kohlendioxid angereicherte, "verbrauchte" Blut wird über Venen dem rechten Herz zugeführt und von dort erneut in die Lunge gepumpt. Der Kreislauf beginnt von neuem.

Der Druck, mit dem das linke Herz das Blut in den Körperkreislauf pumpen muß - er überschreitet bei der Giraffe 300 mm Quecksilber(Hg)-Säule (ca. 40 kPa) -, ist viel größer als der, den die rechte Hälfte ausüben muß, um das Blut in den kleineren Lungenkreislauf zu pressen. Der Gasaustausch innerhalb der Lungenbläschen darf jedoch nicht unter einem großen Blutdruck erfolgen, da die dazu notwendigen dünnwandigen Kapillaren ihm nicht standhalten können. Infolge dessen arbeitet das Herz aller Säugetiere und Vögel mit einem deutlichen Druckunterschied zwischen linker und rechter Hälfte (beim Menschen: Körperkreislauf 100 mm Hg-Säule, Lungenkreislauf 15 mm Hg-Säule). Damit diese hohe Druckdifferenz aufgebaut werden kann, müssen beide Herzhälften vollständig voneinander getrennt sein. Nur so ist es möglich, den für den Körperkreislauf nötigen Druck aufzubauen, ohne eine Überlastung des Lungenkreislaufes zu riskieren.

Hatte Brachiosaurus ein vergleichbares Herz? Da Brachiosaurus und ebenso alle anderen Dinosaurier traditionell zu den Reptilien gerechnet werden, ist man geneigt, auch ein reptilisches Herz anzunehmen. Das Herz der rezenten Kriechtiere ist jedoch nicht vollständig zweigeteilt. Die Trennung der Vorkammern ist erfolgt, jedoch die Herzkammern sind nur unvollständig voneinander separiert. Dies hat u.a. zur Folge, daß zwischen Lungen- und Körperkreislauf kein besonders großer Druckunterschied aufgebaut werden kann. Für die modernen Reptilien ist dies nicht weiter tragisch: Sie halten ihren Kopf in etwa gleicher Höhe wie den übrigen Körper, also muß das Herz nicht einen derartig enormen Druck erzeugen, welcher durch die Gefäßaufzweigung innerhalb der Lunge nicht mehr abgebaut werden kann. Für Brachiosaurus, dessen Kopf rund 7,5 m höher als das Herz lag, wäre jedoch ein derart unvollständig getrenntes Reptilienherz in jedem Fall tödlich: Entweder das Herz erzeugte einen so großen Druck, daß das Blut bequem bis in die Höhe des Schädels gelangte, jedoch mit der Folge einer tödlichen Lungenzerstörung, oder aber der vom Herzen aufgebaute Druck war weniger enorm, so daß die Lunge normal arbeiten konnte, nunmehr allerdings das Gehirn unversorgt bliebe. Die Folge davon wäre ein Gehirnkollaps, den das Tier ebenfalls nicht überleben würde. Ein Brachiosaurus, und eigentlich alle anderen Dinosaurier auch, da deren Köpfe generell viel höher als die Herzen lagen, konnten kein Reptilienherz gehabt haben! Anzunehmen wäre also ein säuger- bzw. vogelähnliches Herz, denn nur dieses kann den nötigen gewaltigen Druckunterschied bewerkstellen.

Ein vollständig gekammertes Herz besitzt noch andere Vorteile. Das Herz beherbergt zwei "Arten" Blut: im linken Herz findet man sauerstoffreiches, im rechten dagegen sauerstoffarmes Blut. Ist eine vollständige Scheidewand zwischen beiden Herzhälften ausgebildet, bleiben beide "Blutsorten" gut voneinander getrennt. Das venöse Blut gelangt ausschließlich in die Lunge und kann dort einen maximalen Sauerstoffanteil aufnehmen. In den Körperkreislauf wird dagegen ausschließlich arterielles Blut gepumpt, und somit eine optimale Versorgung aller Gewebe und Organe mit Sauerstoff gewährleistet. Im unvollständig getrennten Reptilienherz erfolgt jedoch eine Vermischung beider "Blutarten". Das so entstandene Mischblut nimmt in der Lunge weniger Sauerstoff auf und kann so auch nur weniger Sauerstoff an die Gewebe abgeben. Dies beeinflußt die Aktivität der Kriechtiere entscheidend. So kann z.B. ein Krokodil, welches sich in der Sonne auf etwa 40 °C aufgeheizt hat, eine Geschwindigkeit entwickeln, die derer carnivorer Säugetiere vergleichbar ist. Aber auf Grund der geringen Sauerstoffaufnahmekapazität geht das Reptil bei jeder gesteigerten Muskelaktivität eine zu große Sauerstoffschuld ein. Die Folge: Bereits nach 10 Minuten anstrengender Jagd treten erhebliche innere Störungen auf, die das Krokodil für mehr als eine halbe Stunde daran hindern, die geschlagene Beute zu fressen und sie gegen andere Räuber zu verteidigen.

Ein vollständig in zwei Hälften geteiltes Herz trifft man innerhalb der heutigen Tierwelt lediglich bei den "warmblütigen" Vögeln und Säugern an. Es liegt nahe, darin eine Voraussetzung für die Endothermie zu sehen. Da auch die Dinosaurier, wie wir gesehen haben, über ein derartiges Herz verfügen mußten, ist bei ihnen zumindest diese Kondition für die "Warmblütigkeit" gegeben.

Nach Berechnungen von A.L. Hohnke (1973) sollte der Blutdruck des Körperkreislaufes von Brachiosaurus 717 mm Quecksilbersäule betragen haben. R.S. Seymour (1976) gibt einen geringeren Wert dafür an: etwa 500 mm Hg-Säule. Eine derartige Leistung kann nur von einem außerordentlich großen, muskulösen Herz erbracht worden sein. Wissenschaftler des Berliner Naturkundemuseums veranschlagen für das Brachiosaurus-Herz eine Masse von 230 bis 386 kg. Es schlug etwa 15 Mal in der Minute und pumpte pro Herzschlag 10 bis 17 Liter Blut in die Kreisläufe. Die gesamte Blutmenge des Riesentieres wird auf 2400 bis 3600 Liter geschätzt. Das gigantische Herz nahm sicherlich einen großen Teil des Thorax ein. Der Raum, den das Herz für sich beanspruchte, ging jedoch der Lunge verloren.

 

Das Atmungsorgan der großen Dinosaurier mußte, um den riesigen Körper ausreichend mit Sauerstoff versorgen zu können, sehr leistungsfähig gewesen sein. Voraussetzung dafür ist eine sehr große innere Lungenoberfläche. Die beiden lebenswichtigen Organe, Herz und Lunge, müssen sich den zur Verfügung stehenden, begrenzten Raum geteilt haben. Insofern ist es durchaus denkbar, daß Brachiosaurus und alle anderen Dinosaurier auch bereits eine ähnliche Lunge besaßen, wie wir sie von den heutigen Vögeln kennen.

Die Vogellunge ist trotz der geringen Größe ihrer eigentlichen Lungenkörper das leistungsfähigste Atmungsorgan innerhalb der Wirbeltierreihe. Die paarigen Lungenkörper der Vögel stehen mit Luftsäcken in Verbindung, die sich weit in den Körper erstrecken und sogar die großen Röhrenknochen pneumatisieren. In den Lungensäcken selbst findet keine beachtenswerte Sauerstoffaufnahme statt. Vielmehr fungieren diese Anhangsgebilde vorrangig als eine Art Blasebalg, der die Luft durch die Lungenkörper pumpt; weiterhin dienen sie vor allem der Thermoregulation, in dem sie u.a. die von den kräftigen Flügelmuskeln erzeugte Wärme abführen, und tragen zur Gewichtsreduzierung bei.

Die eigentlichen Körper der Vogellunge zeigen ein kompliziertes System von Luftkanälchen (Bronchien), welche nicht wie bei den Säugern in blind endenden Räumen (Alveolen) auslaufen, in denen die Luft stagnieren muß. Sämtliche luftführenden Teile sind miteinander verbunden, gewährleisten damit eine kontinuierliche Luftströmung. Die eingeatmete Luft gelangt über einen sogenannten Hauptbronchus und zahlreiche weitere Bronchien in die Luftsäcke und beim Ausatmen von dort über rückläufige Luftkanäle wieder in die Lunge zurück. Innerhalb der Lunge passiert die Luft somit zweimal die parallel verlaufenden Lungenpfeifen (Parabronchien), welche in ein eng vernetztes Maschenwerk aus Luft- und Blutkapillaren übergehen, in dem der eigentliche Gasaustausch vollzogen wird. Die durch dieses dichte System erreichte Austauschfläche ist pro cm3 Lungengewebe mindestens zehn mal größer als die der Säugerlunge. Dies erklärt die außerordentliche Effizienz des Atmungsorgans der Vögel. Warum sollten also die Dinosaurier, welche die extremsten Formen innerhalb der Landwirbeltiere hervorgebracht haben und schließlich zu unseren heutigen Vögeln führten, nicht über ein derartig effektives Atmungssystem bereits verfügt haben?

Es gibt jedoch noch andere Anhaltspunkte, die die Annahme einer vogelähnlichen Lunge rechtfertigen. Die kavernöse Struktur der Wirbel der Sauropoden sowie die Verschmelzung der Halsrippen mit den Wirbelkörpern erinnern an ähnliche Verhältnisse bei rezenten Vögeln. Hier stehen diese Gebilde mit dem zum Atmungssytem gehörigen, weitläufigen Netz aus Luftgängen in Verbindung. Und so ist es denkbar, daß am lebenden Dinosaurier die Pleurocoele der Halswirbel sowie andere hohle Knochenelemente ebenfalls Luftsäcke beherbergten. Auch ihnen käme neben der Funktion eines die Atmung unterstützenden Blasebalges, vielleicht die Aufgabe zu, überschüssige Körperwärme effizient abzuführen.

 

Nach diesem kurzen Exkurs zu den Problemen des Blutkreislauf- und Atmungssystems der Dinosaurier im allgemeinen und der Sauropoden im besonderen, müssen wir zu unserem Ausgangspunkt zurückfinden. Wir waren zu der Erkenntnis gekommen, daß die Sauropoden wohl eher an Land "zu Hause" waren, anstatt sich in den Seen und Sümpfen ihrer Zeit aufzuhalten. Nach Robert T. Bakker (1971) spricht auch die hohe Diversität der vielen Gattungen für eine größtenteils landgebundene Lebensweise. Allein in der Morrison-Formation wurden zusammen an mehreren Stellen bis zu 9 verschiedene Sauropodengattungen (Apatosaurus, Diplodocus, Barosaurus, Haplocanthosaurus, Supersaurus, Dystylosaurus, Camarasaurus, Brachiosaurus und Ultrasaurus) nachgewiesen. Eine derartige Formenfülle scheint nur an Land möglich zu sein, wogegen Süßwasserbiotopoe für Tetrapoden in der Regel nur geringe Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Demzufolge kann für alle Dinosaurier eine terrestrische Lebensweise als gesichert angenommen werden.

Schwimmfähigkeit bei Sauropoden. Dennoch konnten, wie fossile Fährten beweisen, einige, wenn nicht sogar alle Sauropoden auch schwimmen. Im Jahre 1944 stieß Roland T. Bird in Bandera County Texas (Glen Rose Formation, Alb, Unt. Kreide) an einer Stelle, die vor ca. 100 Millionen Jahren ein größerer See gewesen war, auf die Abdrücke der Vorderfüße eines Sauropoden (Pleurocoelus) aus der näheren Verwandtschaft des Brachiosaurus; die dazugehörigen Spuren der Hinterfüße fehlten jedoch. Lediglich ein einzelner Hinterfußabdruck, hinter dem sich die Richtung der Vorderfußfährten scharf änderte, war erkennbar. Das Tier, welches diese Spuren hinterließ, lief mit Sicherheit nicht auf dem Land im Handstand! Vielmehr ist es die Fährte eines schwimmenden Sauropoden, der seine Vorderbeine dazu einsetzte, sich vom Grund des Gewässers abzustoßen. Der lange Hals des brachiosauriden Tieres lag nicht der Wasseroberfläche auf, und sein Gewicht zog den Körper verstärkt auf die Vorderbeine, während Rumpf und Schwanz horizontal in einer Linie auf dem Wasser trieben und so die Hinterbeine hochgehalten wurden. Gelegentlich wird der Sauropode mit einem Hinterbein kräftig nach unten getreten haben, um den Körper eine neue Schwimmrichtung zu geben (Abb.). Auch aus Marokko wurden vorwiegend aus Vorderfußabdrücken bestehendeSchwimmspuren von Sauropoden beschrieben (Ishigaki, 1989).

Ähnlich aufschlußreiche Fährtenfolgen wurden 1979 in einem Steinbruch in der Nähe von Münchehagen bei Hannover (Niedersachsen) entdeckt. Wie sich im Verlauf der folgenden Ausgrabungen herausstellte, handelt es sich bei diesen ca. 140 Millionen Jahre alten Gesteinen (Berrias) nicht nur um die umfangreichste Fundstelle für Dinosaurierfährten in Deutschland, sondern auch um eine der größten Fährtenansammlungen aus der Unterkreide weltweit. Man zählte mehr als 250 einzelne Fußabdrücke, wovon insgesamt 237 den Sauropoden zugerechnet werden können. Interessanterweise handelt es sich dabei fast ausschließlich um Abdrücke der Hinterfüße, lediglich 17 Trittsiegel stammen von den Vorderfüßen der Sauropoden. Zunächst ging man davon aus, daß die Vorderfußabdrücke durch die größeren und breiteren Hinterfußstapfen überdeckt und damit ausgelöscht wurden. In einem derartigen Fall hätten sich jedoch zumindest an wenigen Stellen Teile der Vorderfußabdrücke aufspüren lassen.

Wie im Gestein erhaltengebliebende, einst von einer leichten Wasserbewegung geschaffene, mehr oder weniger parallel verlaufende Sandwülste, sogenannte Rippelmarken, sowie Grabgänge von Würmern oder Muscheln belegen, war die Fundstelle der Dinosaurierfährten zur Zeit ihrer Entstehung ein großflächiger Süßwassersee mit kleineren Inseln und wechselnder Wassertiefe gewesen. Die Sauropoden mußten sich also im Wasser fortbewegt haben. Dabei bekam ihr vorderer Körperabschnitt im tieferen Wasser Auftrieb und ihre Vorderbeine verloren den Bodenkontakt. Die Tiere schwammen demnach mit schräg aufgerichteten Vorderkörper. In Ufernähe vermochten jedoch die seichteren Wasserpassagen den Vorderkörper der Elefantenfußdinosaurier nicht mehr hochzuhalten und die Tiere sanken auf alle vier Füße zurück (Töneböhn & Kulle-Battermann, 1989; Abb.).

Gegenüber der texanischen und marokkanischen Schwimmfährte liegen hier also genau entgegengesetzte Verhältnisse vor. Während in Texas die Vorderfüße als Abdrücke erhalten geblieben sind, da der verursachende Elefantenfußdinosaurier mit Hilfe seiner Vorderbeine schwamm, hinterließen die Münchehagener Sauropoden fast ausschließlich ihre Hinterfußabdrücke, bewegten sich somit mit ihren Hinterextremitäten im Wasser fort. Möglicherweise lassen sich diese unterschiedlichen Schwimmtechniken der Elefantenfußdinosaurier auf den differierenden Körperbau verschiedener Sauropodengruppen zurückführen.

Die texanischen Sauropodenspuren zeigen charakteristische Merkmale, wie Abdrücke der Zehen, der Krallen oder des Gehpolsters, anhand derer eine Zuordnung der Fährten zu einem bestimmten Erzeuger, in diesem Fall der Brachiosauride Pleurocoelus (Astrodon), möglich ist. Leider fehlen den Münchehagener Fährten derartige Kennzeichen. Es wird jedoch vermutet, daß es sich hierbei um die Spuren von Diplodociden, wie beispielsweise Apatosaurus, handelt (Hendricks, 1981). Beide Sauropodengruppen unterscheiden sich, bedingt durch die abweichenden Verhältnisse von Vorder-und Hinterextremitäten sowie die unterschiedliche Haltung des langen Halses, deutlich in ihrem Habitus: Während bei den Diplodociden infolge der längeren Hintergliedmaßen der höchste Punkt des Körpers über den Hüften liegt, fällt der Rücken der Brachiosauriden auf Grund der längeren Vorderbeine zum Schwanz hin mehr oder weniger deutlich ab. Diese grundlegenden Unterschiede im Körperbau können zur Herausbildung verschiedener Schwimmtechniken geführt haben.

Beim Schwimmen legten diplodocide Sauropoden ihren langen Hals der Wasseroberfläche auf und ließen ihn vom Wasser tragen. Dabei wurde zugleich der Vorderkörper entlastet und durch den Auftrieb des Wassers nach oben gehoben. Ihren Schwanz mußten die Tiere indessen nach unten strecken, um den Bodenkontakt der Hinterextremitäten zu gewährleisten.

Der Hals brachiosaurider Elefantenfußdinosaurier konnte beim Schwimmen allerdings nicht der Wasseroberfläche aufgelegt werden. Er mußte vielmehr in senkrechter Position gehalten werden. Sein Gewicht, welches somit nicht durch den Auftrieb des Wassers abgefangen werden konnte, zog den Vorderkörper nach unten. Gleichzeitig erhielt jedoch der Hinterkörper Auftrieb, da nunmehr der Schwanz der Wasseroberfläche auflag.

 

Riesenwuchs und Thermoregulation. Am Beginn dieses Kapitels wurden die größten Vertreter der Sauropoden namentlich vorgestellt. Diese Giganten unter den Riesen sind die Lieblinge populärer Veröffentlichungen über die Dinosaurier. Selten wird dabei jedoch die Frage gestellt: Weshalb erreichten diese Tiere überhaupt derartige Ausmaße?

Zunächst sah man im Riesenwuchs der Dinosaurier eine krankhafte Erscheinung. Man stellte an fossil überlieferten Gehirnausgüssen (siehe Kap. 2.6.) eine außerordentliche Vergrößerung der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) fest, die die damaligen Bearbeiter, allen voran der rumänische Paläontologe Franz von Nopcsa (1877 bis 1933), an ähnliche Erscheinungen bei Akromegalie (krankhaftes Größenwachstum von Gliedmaßen oder Gesichtsteilen) erinnerten. Man sah darin Alterungserscheinungen der Dinosaurier, welche zu ihrem "stammesgeschichtlichem Aus" geführt haben sollen (Vergreisungstheorie). Dabei wurde jedoch vergessen, wie lange die Herrschaft der Dinosaurier eigentlich währte. Der Riesenwuchs sollte eher als Ergebnis intensiver phylogenetischer Größenzunahme gewertet werden. Doch wo liegen die Gründe dafür?

Einem pflanzenfressenden Individuum bietet eine gewisse Größe einen guten Schutz gegen Raubtiere, so lange diese klein bleiben. Darüber hinaus hilft der Riesenwuchs, die Körpertemperatur mehr oder weniger konstant zu halten. Im Jahre 1946 führten die Wissenschaftler Charles Bogert, Edwin Colbert und Raymond Cowles Experimente mit größeren und kleineren Krokodilen durch, mit dem Ziel, die Schwankungen der Körpertemperatur von Reptilien in Abhängigkeit von der Körpergröße während des Tag-Nacht-Zyklus zu untersuchen. Dazu band man u.a. zwei unterschiedlich große Alligatoren (der kleinere besaß nur etwa 30 cm Länge, während der größere etwa 1,3 m lang war) an einem sonnigen Platz fest, um den Einfluß thermoregulatorischer Verhaltensäußerungen (z.B. Ortswechsel) zu unterbinden. Bei dem kleineren Tier stieg die Körpertemperatur bedeutend schneller als bei dem größeren Reptil. Sie fiel auch viel rascher bei sinkenden Außentemperaturen wieder ab. Dem größeren Alligator dagegen gelang es, die Schwankungen seiner Körpertemperatur niedriger zu halten. Worin ist die Ursache dieses Sachverhaltes zu suchen?

Der Wärmeaustausch vollzieht sich, wie wir bereits gesehen haben, an der Körperoberfläche, da diese den unentbehrlichen Kontakt zur Außenwelt vermittelt. Ihre Größe und Beschaffenheit sind sowohl für die Aufnahme als auch die Abgabe von Wärme ausschlaggebend. Eine größere Oberfläche kann in der gleichen Zeit und unter gleichen Bedingungen viel mehr Wärme aufnehmen bzw. abgeben, als eine kleinere. Mit Sicherheit besaß das größere Krokodil auch eine entsprechend größere Körperoberfläche. Aber die Wärmemenge, die ein Körper speichern kann, ist von seinem Volumen abhängig. Der größere Alligator wird auch ein entsprechend größeres Körpervolumen gehabt haben, und konnte so eine höhere Wärmemenge speichern. Dies erklärt die geringeren Schwankungen der Körpertemperatur. Jedoch von seiner Oberfläche her, hätte das größere Tier schneller "warm" werden bzw. auskühlen müssen. Es kommt aber nicht auf die absoluten Maße der Körperoberfläche oder des Volumens an, vielmehr spielt deren Verhältnis zueinander eine große Rolle.

Wie bereits Galileo Galilei (1564 bis 1642) feststellte, wächst bei Zunahme der Größe eines Körpers die Oberfläche mit der zweiten, das Volumen jedoch mit der dritten Potenz (O ~ V2/3). Mit anderen Worten: Je größer ein Tier ist, umso kleiner ist seine Oberfläche in Bezug zu seinem Volumen. Infolge dessen erwärmt sich ein größerer Körper unter gleichen Bedingungen langsamer als ein kleinerer, kühlt jedoch auch nur allmählich ab.

Die an Krokodilen gewonnenen Ergebnisse übertrugen Bogert, Colbert & Cowles auf einen 10 t schweren Dinosaurier vom Typ des Diplodocus, und berechneten, daß ein derartiges Tier als "Kaltblüter", sich theoretisch ca. 86 Stunden ununterbrochen gesonnt haben müßte, um sich auch nur um 1 °C zu erwärmen. Praktisch hieße dies, daß ein aus irgendwelchen Gründen einmal abgekühlter Sauropode niemals wieder "warm" werden würde und dem Untergang preisgegeben sei. Andererseits würde über die relativ geringe Oberfläche des riesigen Körpers auch nur wenig Wärme abgegeben werden. Selbst nach drei kalten Regentagen hätte ein Sauropode wie der Diplodocus nicht viel mehr als 1 °C an Körpertemperatur verloren, selbst wenn keine Isolation des Körpers eventuell durch ein Federkleid oder ein dickes Unterhautfettgewebe vorhanden gewesen war. Wie wir heute wissen, lebten die Dinosaurier zu einer Zeit tropischer bis subtropischer Klimaverhältnisse mit geringen Temperaturschwankungen, die keinen besonderen Einfluß auf die Körpertemperatur der Dinosaurier-Riesen gehabt haben können (andererseits hätte bereits eine weltweite Temperaturabnahme das Aussterben der Schreckensechsen verursacht). So können wir zumindest von den Sauropoden und allen anderen großen Dinosauriern mit Recht annehmen, daß ihre Körpertemperatur gleichmäßig hoch gewesen ist. Man bezeichnet sie deshalb auch als Massenhomoiotherme, die sich nicht durch eine interne Wärmeproduktion, sondern einfach mittels ihrer enormen Leibesfülle "warmhielten" (Hotton, 1980).

Aber die großen Sauropoden begannen ihr Leben nicht als die gigantischen Tiere, die sie einmal werden sollten, sondern regelrecht als "Winzlinge". Die jungen Elefantenfußdinosaurier waren nicht in der Lage, ihre Körpertemperatur mit Hilfe der noch nicht vorhandenen Korpulenz konstant zu halten. Waren sie dennoch homoiotherm?

Wie wir bereits gesehen haben, wuchsen sie in jungen Jahren enorm schnell, bis zu einer bestimmten Größe heran. Diese hohe Wachstumsrate setzt "Warmblütigkeit" voraus. Waren die entsprechenden Dimensionen erreicht, konnte eine andere Strategie, namentlich die der Massenhomoiothermie, einsetzen. Die Gründe dafür, erfahren wir im Kapitel 2.3., in dem es um Probleme der Ernährung gehen soll.

Unter den damaligen warmen Bedingungen war das Problem einer Unterkühlung für die großen Dinosaurier, wie z.B. die Sauropoden, weniger aktuell, vielmehr bestand die Gefahr einer Überhitzung, insbesondere dann, wenn die Tiere besonders aktiv waren. Auf Grund der hierbei sich recht ungünstig auswirkenden Oberflächen-Volumen-Relation konnten die gigantischen Tiere überschüssige Wärme nicht so einfach an ihre Umwelt abgeben. Ein ähnlich gelagertes Problem haben heute die Elefanten. Sie besitzen jedoch großflächige Ohren, die gut durchblutet sind. Hier ist eine große Austauschfläche gegeben. Ankommendes warmes Blut wird unter Wärmeabgabe an die Umgebung gekühlt und wieder abgeführt. Eventuell fächelt der Elefant mit seinen Ohren, zerstört dadurch ständig die sich bildende Grenzschicht und erhöht somit den Kühleffekt. Die Sauropoden hatten keine großen Ohren, die zur Wärmeabgabe dienen konnten. Deratige Strukturen hätten den Kopf nur noch schwerer gemacht. Im Vergleich zum restlichen Körper besaßen jedoch Hals, Schwanz und Extremitäten relativ große Oberflächen. Beim Brachiosaurus beispielsweise entfiel allein über die Hälfte von den insgesamt 140 m2 Gesamtoberfläche auf Hals, Schwanz und die Gliedmaßen. Damit dienten diese Körperteile sicherlich als effiziente Wärmeabstrahler.