Die Stellung der Dinosaurier unter den Wirbeltieren

Der Name "Dinosaurier" bedeutet soviel wie "schreckliche Echsen" oder auch "Schreckensechsen" ("deinos" griech. für schrecklich, "sauros" griech. für Echse). Er wurde erstmals 1841 auf dem 11. Kongreß der British Association for the Advancement of Science (Britische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) in der englischen Hafenstadt Plymouth durch den damals führenden Zoologen und ersten Direktor des Naturhistorischen Museums London Sir Richard Owen (1804 bis 1892) als systematische Ordnung für die bis dahin aufgespürten Überreste von Iguanodon, Hylaeosaurus und Megalosaurus vorgestellt. Obwohl man nun über eine zusammenfassende Bezeichnung für die äußerst ungewöhnlichen fossilen Funde verfügte, so wußte man zu dieser Zeit jedoch kaum etwas von den Tieren, die diese Spuren hinterlassen hatten. Was sind oder besser waren die Dinosaurier?

Nach der Endung des Wortes "~ saurier"zu urteilen, handelte es sich bei diesen Tieren um Vertreter der Klasse Reptilia (Kriechtiere). Die Reptilien gehören zu den Landwirbeltieren, welche auf Grund des Vorhandenseins von vier Gliedmaßen auch als Tetrapoden ("Vierfüßer") bezeichnet werden. Sie gingen irgendwann während der sogenannten Steinkohlenzeit (Karbon) aus ihren tetrapoden Vorfahren, den Amphibien, hervor und nahmen eine zentrale Position in der weiteren Entwicklung der Landwirbeltiere ein: Aus den Reptilien entwickelten sich, allerdings getrennt voneinander, die Klassen der Säugetiere (Mammalia) und der Vögel (Aves).

 

Die Abgrenzung der Reptilien von den Amphibien basiert vor allem auf der Art der Eiablage: Amphibien, die unterste und primitivste Gruppe der Tetrapoden, legen ihre Eier, den Laich, in der Regel im Wasser ab. Die aus den Eiern schlüpfenden Jugendstadien (Larven) unterscheiden sich in einem sehr starken Maße von den Erwachsenen. So sind sie ausschließlich wasserlebend, atmen über Kiemen anstelle über Lungen und besitzen zunächst noch keine Extremitäten. Die Amphibienlarven repräsentieren ein reines "Fischstadium". Während ihrer Individualentwicklung (Ontogenese) wandeln sich die kleinen Lurche in einem als Metamorphose bezeichneten Prozeß zu landlebenden, lungenatmenden Formen um. Nun besitzen sie auch die für die Tetrapoden charakteristischen Gliedmaßen, die eine Fortbewegung an Land ermöglichen (Abb.).

Die Amphibien waren die ersten Wirbeltiere, die den früheren Lebensraum Wasser mit dem Land vertauschten. Dennoch besitzen sie, wie die Art ihrer Eiablage zeigt, noch eine deutliche Bindung an diesen Lebensraum. Es besteht für sie die Notwendigkeit, von Zeit zu Zeit zum Zwecke der Fortpflanzung ins Wasser zurückzukehren.

Mit der Entwicklung des sogenannten Amnioneies (Abb.) erreichten die Reptilien ihre endgültige Unabhängigkeit vom Lebensraum Wasser. Zum ersten Mal in der Geschichte der Wirbeltiere wurden Eier an Land, außerhalb des Wassers, abgelegt. Die nur von einer dünnen Membran umgebenen Amphibieneier würden unter diesen Bedingungen sofort austrocknen und so nie zur Entwicklung kommen. Reptilieneier dagegen sind von einer festen, gleichzeitig jedoch porösen Schale umhüllt, die den sich in ihrem Innern entwickelnden Keimling (Embryo) vor Austrocknung schützt. Durch die Ausbildung eines Dottersackes wird dem Embryo reichlich Nährmaterial für seine Entwicklung zur Verfügung gestellt. Der Keimling wächst in der Flüssigkeit eines dünnwandigen, membranumgrenzten Sackes, dem Amnion, heran. Eine zweite, äußere Eihülle, das Chorion, umschließt den in der Amnionhöhle liegenden Embryo und den Dottersack, und trägt ihrerseits zum Schutz vor Austrocknung bei. Durch eine Ausstülpung der Kloake des Keimlings bildet sich die sogenannte embryonale Harnblase, die Allantois, heraus. Sie breitet sich über den gesamten zwischen Chorion und Amnion gelegenen Raum aus und verklebt mit der Innenfläche der äußeren Eimembran. Zum einen dient die Allantois dazu, die Ausscheidungen (Harnsäure) des heranwachsenden Embryos zu speichern. Andererseits bildet sie ein der Lunge geschlüpfter Tiere funktionell entsprechendes Atmungsorgan. Sie nimmt den durch die Poren der Eischale eingedrungenen Sauerstoff auf und leitet ihn an den eigentlichen Keimling weiter.

Die Embryonen der Reptilien erreichen, im Amnionei vor Austrocknung gut geschützt und mit allen lebenswichtigen Stoffen (Nährstoffe, Sauerstoff) versorgt, bis zu ihrem Schlupf eine gewisse Größe und Reife. Sie entwickeln sich über das Larvenstadium der Amphibien hinaus. Bereits beim Schlüpfen sind die Jungtiere dem Leben auf dem Land angepaßt, atmen mit ihren Lungen und besitzen zum Laufen geeignete Gliedmaßen. Sie erscheinen morphologisch, anatomisch und physiologisch als "Miniaturausgaben" ihrer Eltern, sind lediglich noch nicht in der Lage, sich fortzupflanzen. In ihrer nun folgenden Jugendzeit wachsen sie heran, vervollkommnen ihren Körper und dessen Organe, insbesondere die Geschlechtsorgane. Mit dem Erreichen der Geschlechtsreife gehen die Tiere in die Erwachsenenphase über.

Sämtliche Reptilien und alle aus ihnen während der Stammesgeschichte hervorgegangenen Formen, wie die Vögel und die Säuger, werden als Amnioten, als Tiere mit einem Amnion, bezeichnet und den Wirbeltieren ohne Amnion, den Anamniern (Fische und Amphibien), gegenübergestellt.

 

Einteilung der Reptilien. Die Reptilien lassen sich nach ihrer Schädelanatomie in vier Basisgruppen einteilen (Abb.):

Die ursprünglichen Kriechtiere, die Stammreptilien (Cotylosauria), besitzen noch das geschlossene Schädeldach ihrer amphibischen Vorfahren, welches lediglich die Öffnungen für die Sinnesorgane (äußere Nasenlöcher, Augenhöhlen und Pinealöffnung) aufweist. Hinter den Augenhöhlen (Orbitae), im Bereich der Schläfenregion gelegene zusätzliche Öffnungen, sogenannte Schläfenfenster (Temporalfenster), fehlen ihnen. Ähnliche Verhältnisse finden sich bei den Schildkröten, den Testudines. Ihr Schädeldach ist zwar vielfach ausgebuchtet und unvollständig, doch handelt es sich hierbei nicht um wirkliche Temporalöffnungen. Ein derartig geschlossenes Schädeldach, dem Schläfenfenster fehlen, wird als anapsid bezeichnet. Die ausgestorbenen Cotylosaurier und die heute noch existierenden Schildkröten werden demzufolge in der Basisgruppe der Anapsida zusammengefaßt.

Sämtliche weitere Kriechtiere verfügen in ihren Schädeln beiderseits, zumindest primär, über zusätzliche Öffnungen in der Schläfenregion. Sie dienen dem besseren Ansatz der Kiefermuskulatur. Beim Zusammenziehen können sich die Muskeln besser ausbauchen und so größere Kräfte entwickeln. Eine intensivere Kiefertätigkeit beim Fressen wird dadurch möglich. Darüberhinaus reduzieren die Temporalfenster das Gewicht des Schädels, ohne seine Stabilität zu beeinträchtigen. Sekundär kann bei fortschrittlichen Formen die für die einzelnen Gruppen charakteristische Anordnung der Schädelfenster sehr stark abgewandelt sein. Mitunter kann es sogar zum Verschluß der Öffnungen bis auf jene der Sinnesorgane kommen.

Die Vertreter der Basisgruppe der Euryapsida besitzen nur eine obere Schläfenöffnung. Die beiden Schädelknochen Postorbitale und Squamosum begrenzen sie von unten her (euryapsider Schädeltyp). Zu den Euryapsiden gehören die ausgestorbenen marinen Pflasterzahnsaurier (Placodontia), die Paddelechsen (Plesiosauria) und auch die hai- und delphinähnlichen Fischsaurier (Ichthyosauria). Sie bevölkerten die Meere zur Zeit der Dinosaurier.

Über ein einziges Schläfenfenster verfügen auch die Formen, welche in der Basisgruppe der Synapsida zusammengefaßt werden. Allerdings befindet sich ihre Temporalöffnung weiter unten als die der Euryapsiden. Die beiden Schädelknochen Postorbitale und Squamosum liegen demnach über ihr. Schädel dieses synapsiden Typs haben die kleinen wasserlebenden Mesosaurier, die Wolfssaurier (Pelycosauria) und die säugerähnlichen Reptilien (Therapsida), aus denen die Säugetiere hervorgegangen sind. Unter den heutigen Reptilien finden wir keinen Synapsiden mehr. Die letzten synapsiden Kriechtiere sind bereits gegen Anfang bis Mitte des Dinosaurierzeitalters ausgestorben.

Die vierte Basisgruppe der Reptilien, die Diapsida, werden durch zwei übereinanderliegende Schläfenöffnungen charakterisiert. Beide Fenster sind voneinander durch eine aus Postorbitale und Squamosum gebildete Knochenspange getrennt (diapsider Schädeltyp). Je nach Vorhandensein einer weiteren Schädelöffnung vor den Augenhöhlen, einem sogenannten Antorbitalfenster, werden die Diapsiden in zwei weitere Gruppen unterteilt: Den Lepidosauriern fehlt das antorbitale Schädelfenster. Zu ihnen gehören die ausgestorbenen Eosuchier, welche ganz am Anfang der Diapsiden stehen, die rezent nur noch durch eine einzige Art, die Brückenechse Sphenodon punctatus, vertretenen Schnabelkopfechsen (Rhynchocephalia) und schließlich die mit etwa 6 000 Arten den Hauptteil aller heutigen Reptilien stellenden Schuppenechsen (Squamata). Die Squamaten umfassen die Eidechsen (Lacertilia), Doppelschleichen (Amphisbaenia) und die Schlangen (Serpentes). Innerhalb der Schuppenechsen erlangten während des Zeitalters der Dinosaurier die marinen Mosasaurier eine gewisse Bedeutung. Es handelt sich hierbei um riesige waranartige Meeresraubtiere, deren Gliedmaßen sich ähnlich denen der Euryapsiden zu Flossen umwandelten.

Kennzeichnendes Merkmal der zweiten Diapsiden-Gruppe, der Archosauria, ist eine antorbitale Schädelöffnung. Unterschiede zu den Lepidosauriern bestehen auch in der Art der Befestigung der Zähne auf den Kieferknochen (Abb.). Die Zähne der Lepidosaurier sind seitlich an dem etwas erhöhten Innenrand der Kiefer befestigt (pleurodonte Befestigung). Bei den Archosauriern sitzen die Zähne mit einer oder auch zwei Wurzeln in besonderen Höhlen der Kieferknochen, den Alveolen (thecodonte Befestigung). Die ersten Tiere, welche über eine derartige Zahnbefestigung verfügen und auch an der Basis der Archosaurier anzusiedeln sind, werden als Wurzelzähner (Thecodontia) bezeichnet. Aus den Thecodontiern gingen alle weiteren Gruppen der Archosaurier hervor: die Krokodile (Crocodilia), die Flugsaurier (Pterosauria) und die Dinosaurier. Wie der Name "Archosaurier", zu deutsch "herrschende Reptilien", bereits besagt, war diese Tiergruppe in den terrestrischen Lebensräumen des Erdmittelalters die dominierende. Heute ist sie lediglich durch die 21 Arten der Ordnung Crocodilia vertreten. Die Wurzelzähner starben bereits gegen Ende der Trias aus, Flugsaurier und Dinosaurier folgten ihnen am Ende der Kreidezeit. In einer der Gruppen der Archosaurier fanden die Vögel, die zweite Klasse der Amnioten, ihren Ursprung. Vieles spricht dafür (siehe 3. Die Dinosaurier und der Ursprung der Vögel), daß die Ahnen der Vögel innerhalb der Dinosaurier zu suchen sind.

 

Zusammenfassend läßt sich zur Stellung der Dinosaurier innerhalb der Wirbeltiere sagen: Die Dinosaurier gehören zu den amniotischen Landwirbeltieren. Sie können von der Basisgruppe der diapsiden Archosaurier abgeleitet werden. Ihre Beziehungen zu heute lebenden Reptilien bestehen daher lediglich über eine gemeinsame stammesgeschichtliche Abstammung. Die nächsten rezenten Verwandten der Dinosaurier sind die Vögel, da diese nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse aus ihnen unmittelbar hervorgingen. Vögel sind gewissermaßen "Dinosaurier-Kinder", während Krokodile maximal als "Dinosaurier-Großonkel" bezeichnet werden können.