Problem Thermoregulation

Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts entbrannte eine noch heute erbittert geführte Diskussion um ein Grundproblem der Stoffwechselphysiologie: die Regulation der Körpertemperatur (Thermoregulation) bei Dinosauriern. Traditionell hatte man die Dinosaurier zu den Reptilien gerechnet und infolge dessen mußten sie auch als "kaltblütige" Tiere gelten. Mit dem Hinweis auf das Vorkommen permischer Therapsiden (säugerähnlicher Reptilien) und mesozoischer Dinosaurier in höheren geographischen Breiten leitet John H. Ostrom im Jahre 1969 für beide Gruppen "Warmblütigkeit" ab und bricht damit jenen noch andauernden Streit um die Thermoregulation vom Zaun. Für Ostrom und wenig später Robert T. Bakker (1971, 1972, 1975) sind die Dinosaurier keine trägen Reptilien mehr, sie sind eher flink und ebenso aktiv wie die heutigen Vögel und Säugetiere. Da die Streitfrage um "Warm- oder Kaltblütigkeit" der Dinosaurier zu einem wichtigen, immer wiederkehrenden Punkt in der Betrachtung der Physiologie und Lebensweise dieser Tiere geworden ist, machen sich an dieser Stelle einige einleitende Ausführungen zu diesem Thema erforderlich. (Die folgenden Darlegungen basieren im wesentlichen auf Penzlin, 1989).

Leben ist das Ergebnis biochemischer Reaktionen innerhalb der kleinsten Baueinheit tierischer und pflanzlicher Organismen, den Zellen. Die Geschwindigkeit, mit der in ihnen jene grundlegenden Prozesse ablaufen, und die damit die Aktivität eines Tieres bestimmt, ist temperaturabhängig. Sie erhöht sich generell mit steigender Temperatur, da die vielen unterschiedlichen Moleküle, die an den fundamentalen biochemischen Reaktionen beteiligt sind, eine größere kinetische Energie erlangen und damit sich die Anzahl der zur chemischen Umsetzung führenden Zusammenstöße dieser Teilchen erhöht. Das Wasser, Hauptbestandteil lebender Materie, gefriert bei einer Temperatur von 0 °C und unterbindet dadurch jegliche Lebensvorgänge. Sämtliche Reaktionen im Körper sind an das Vorhandensein von Eiweißen (Proteine) geknüpft, welche jedoch oberhalb einer Temperatur von 45 °C zerstört werden. Infolge dessen ist für die Mehrzahl der tierischen Organismen ein aktives Leben nur innerhalb eines kleinen Temperaturbereiches zwischen minimal 0 °C und maximal 45 °C möglich. Demgegenüber stehen die Umweltverhältnisse, unter denen die Tiere leben müssen. In Wüstenregionen kann sich die Luft bis zu einer Temperatur von 65 °C aufheizen, in den Polgebieten werden mitunter im Winter bis minus 55 °C erreicht. Dennoch leben in diesen Gebieten Tiere, welche in der Lage sind, in ihren Körperzellen auch unter extremen Umgebungsbedingungen Temperaturverhältnisse einzustellen, die eine optimale Entfaltung der Lebensprozesse und damit ein Überleben sichern. Die Thermoregulation ist somit der Garant für das Ablaufen lebenswichtiger biochemischer Prozesse, da sie es gestattet, die Körpertemperatur auf einen von der Umgebungstemperatur abweichenden Optimalwert zu halten.

Poikilotherme und homoiotherme Tiere. Ein "kaltblütiges" Tier, wie z.B. eine Eidechse, hat nur einen geringen Einfluß auf seine Körpertemperatur. Diese wird in einem starken Maß durch die Umgebungstemperatur bestimmt und unterliegt somit mehr oder weniger großen Schwankungen. Wie Laborexperimente mit Eidechsen in abgeschlossenen Behältern, in denen überall eine gleichmäßig hohe Lufttemperatur eingestellt wurde, zeigten, folgt die Körpertemperatur dieser Kriechtiere exakt den Änderungen der Außentemperatur (Abb.). In warmer Umgebung sind die Tiere beweglicher, aktiver und zeigen entsprechend höhere Temperaturen. Unter kühleren Bedingungen dagegen sinkt die Körpertemperatur und die Bewegungen der Reptilien lassen nach. Tiere, deren Körpertemperatur derartigen Schwankungen unterliegt, bezeichnet man auch als wechselwarm (poikilotherm).

Eine kalte Eidechse ist träge. Sie kann aber ihre Körpertemperatur durch Ausnutzung von Wärmestrahlung erhöhen. Um sich "aufzuheizen", legt sie sich in die Sonne, exponiert eine möglichst große Oberfläche, durch die eine höhere Wärmemenge aufgenommen (absorbiert) werden kann, und ist somit durchaus in der Lage auch eine höhere Körpertemperatur als die Außentemperatur zu erreichen. Selbst durch physiologischen Farbwechsel (Verdunklung) kann die Wärmeabsorption des Körpers erhöht werden. So ist es beispielsweise der peruanischen Bergeidechse in einer Höhe von 4 000 m und bei einer Umgebungstemperatur nahe 0 °C möglich, innerhalb einer Stunde ihre Körpertemperatur auf 35 °C zu bringen (Abb.).

Die aufgenommene Wärme wird mit dem Blut im gesamten Körper verteilt. Bei allzu langen "Sonnenbädern" besteht allerdings die Gefahr der Überhitzung. Die Eidechse sucht dann kühlere, schattige Plätze auf. Durch einen ständigen Wechsel zwischen wärmeren und kühleren Aufenthaltsorten gelingt es den Tieren sich je nach Bedarf aufzuwärmen oder abzukühlen, und so ihre Körpertemperatur relativ konstant auf einem bestimmten Optimalwert zu halten.

Der Großteil der Körperwärme "kaltblütiger" Tiere wird aus der Umgebung bezogen. Man bezeichnet sie damit treffender als ectotherm ("Wärme von Außen"). Die Regulierung der Körpertemperatur erfolgt bei ihnen im wesentlichen durch Verhaltensweisen. Sie suchen Umweltverhältnisse auf, die ihnen eine optimale Körpertemperatur und damit Aktivität ermöglichen, meiden ungünstige sowie tödliche Außentemperaturen. Bei absinkenden Nachttemperaturen verfallen sie jedoch in einen Starrezustand, in dem sie den Gefahren der Umwelt relativ schutzlos ausgeliefert sind. Nach einer kalten Nacht muß beispielsweise eine Eidechse zunächst ein "Sonnenbad" nehmen bis sie genügend aufgewärmt ist, um körperlich aktiv werden zu können.

Zu den "Warmblütern" zählen lediglich die Vögel und Säugetiere. Sie erzeugen ihre Körperwärme mittels biochemischer Prozesse im Innern ihres Körpers und werden deswegen besser als endotherme ("Wärme von Innen") Tiere bezeichnet. Ihre Thermoregulation erfolgt vor allem über physiologische Mechanismen, die eine relativ gleichbleibende Körpertemperatur unabhängig von den äußeren Lebensbedingungen gewährleisten. Auf Grund der mehr oder weniger konstanten Körpertemperatur bezeichnet man diese "warmblütigen" Tiere auch als gleichwarm (homoiotherm). Die gleichmäßig hohe optimale Körpertemperatur ermöglicht einen effektiven Ablauf aller Stoffwechselprozesse, ein effizientes Funktionieren des Nervensystems, insbesondere des Gehirns, sowie eine ständig einsatzbereite Muskulatur. Homoiotherme Tiere können deshalb schnell auf Reize ihrer Umwelt reagieren und auch unter ungünstigen Bedingungen, z.B. während der kälteren Nachtstunden, im Winter oder in Gebieten, die für poikilotherme Organismen zu niedrige Temperaturen aufweisen, voll aktiv sein. Dies macht sie überlebenstüchtiger und erklärt die Überlegenheit der "Warmblüter" gegenüber den Organismen, denen dies nicht auf einem derartigen Niveau gelingt.

Die Voraussetzung für die Endothermie, die gesteigerte Wärmeproduktion im Körper bei sinkenden Umgebungstemperaturen, besteht in einem etwa drei bis fünf mal höheren Energieumsatz (Trachymetabolismus) gegenüber ectothermen Tieren gleicher Körpertemperatur, denn nur Stoffwechseltätigkeit führt zu eigener Wärmeproduktion. "Kaltblüter" verfügen im Vergleich dazu über eine recht geringe Stoffwechselrate (Bradymetabolismus), die bei sinkender Umgebungstemperatur zudem enorm abfällt.

Thermoregulation bei Homoiothermen. Die angestrebten Sollwerte der Körpertemperatur für Vögel liegen mit ca. 40 °C höher als die der Säuger (Monotremata ca. 35 °C, Marsupialia ca. 36 °C und Placentalia ca. 38 °C). In verschiedenen Körperbereichen und unter bestimmten Bedingungen können die tatsächlichen Istwerte davon abweichen. Eine exakte Regelung der Körpertemperatur auf den entsprechenden Sollwert erfolgt allerdings nur im Körperkern, zu dem alle lebenswichtigen Organe, insbesondere das Gehirn, das Verdauungssystem einschließlich seiner Anhangsdrüsen, das Herz, die Lunge und große Teile der Skelettmuskulatur gehören. In den äußeren, peripheren Bereichen der Körperschale liegen die Temperaturen oft um einige Grad tiefer, in deutlicher Abhängigkeit von der jeweiligen Außentemperatur, welche als Störgröße wirkt und die Ausdehnung dieser Regionen bestimmt. Je höher die Umgebungstemperatur ist, um so geringer ist der Anteil der Körperschale am Gesamtorganismus. Darüber hinaus treten nachweislich Schwankungen der Körpertemperatur im Tagesgang auf (beim Menschen können sie bis zu ± 5 °C betragen). Da diese auch dann noch beibehalten werden, wenn äußere tagesperiodische Zeitgeber fehlen, handelt es sich um endogene Rhythmen. Derartige periodische Änderungen der Temperatur liegen durchaus in dem Bereich einer konstanten Körpertemperatur, werden sie doch durch regelmäßige Schwankungen der Sollwerte hervorgerufen.

Werfen wir nun einen kurzen Blick auf die Thermoregulation homoiothermer Tiere, in der Hoffnung tiefere Einsichten in dieses Problem zu gewinnen (Abb. Regelkreis). Entscheidenden Anteil an der Regelung der Körpertemperatur haben über den gesamten Körper verteilte thermosensible Meßglieder, die den tatsächlichen Wert (Istwert) der Körpertemperatur (Regelgröße) ständig messen, ihre "Meßergebnisse" in nervöse Signale verschlüsseln und an eine übergeordnete Stelle im Hypothalamus, eines kleinen Bestandteiles des Zwischenhirn (Diencephalon), welcher an der Gehirnbasis, in direkter Nachbarschaft zur Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) gelegen ist und zahlreiche Lebensfunktionen des Organismus kontrolliert, weitermelden. Hier werden die Informationen ausgewertet: Die Nervenzellen (Neuronen) des Hypothalamus vergleichen den von den Thermoreceptoren übermittelten Istwert mit dem vorgegebenen Sollwert. Bei auftretenden Abweichungen beider Werte werden Gegenmaßnahmen eingeleitet, die den Istwert an den Sollwert angleichen.

Wird eine Unterkühlung, d.h. Istwert < Sollwert, festgestellt, werden Reaktionen zur Steigerung der Körpertemperatur ausgelöst. Die allgemeine Bewegungsaktivität wird erhöht, bestimmte Muskelfasern in der Skelettmuskulatur kontrahieren unwillkürlich (Kälte-Zittern); es kommt zur Erhöhung der Temperatur infolge einer Steigerung des Stoffwechsels. Die innere Wärmeproduktion bleibt so lange aktiviert, bis der Sollwert wieder erreicht ist.

Desweiteren ergreift der Körper Maßnahmen, um den Wärmeabtransport zu mindern. Auf Grund der Temperaturdifferenz (Temperaturgradient) zwischen dem Körperinnern und der Umgebung, wird ständig Wärme an die Umwelt abgegeben. Die Abgabe ist umso größer, je erheblicher der Temperaturunterschied ausfällt. Dieser Wärmeverlust muß durch Wärmeproduktion ausgeglichen werden, und sollte demnach möglichst gering gehalten werden. Bei tiefen Umgebungstemperaturen werden die peripheren Blutgefäße unter der Haut verengt (kutane Vasokonstriktion), so daß das Blut nur wenig Wärme in diese Hautbereiche transportieren kann. Infolge dessen stellt sich eine geringere Temperaturdifferenz und damit ein kleinerer Wärmeverlust ein.

Die Wärmeabgabe erfolgt immer dort, wo die Körperoberfläche mit dem wärmeableitenden Medium in Kontakt steht. Die Luftschicht (Grenzschicht), die den Körper umgibt, wird ständig von ihm erwärmt. Erwärmte Luft steigt auf, während kühlere sich dem Körper erneut anschmiegt. Der Temperaturgradient wird damit fortlaufend aufrechterhalten. Somit ist der Körper von einer Luftströmung umgeben, die kontinuierlich Wärme abtransportiert. Vögel und Säugetiere haben die Möglichkeit, mittels Veränderung der Feder- bzw. Haarstellung die Dicke der Grenzschicht variieren zu können. Eine möglichst ruhende Luftschicht zu erzeugen, ist das Ziel derartiger Bemühungen. Je breiter die Grenzschicht ist, umso besser ist es um ihre Isolationsfähigkeit bestellt und umso geringer ist folglich die Wärmeabgabe. Die Haare bzw. Federn werden bei tieferen Außentemperaturen aufgerichtet und somit eine Verbreiterung der Grenzschicht erreicht.

Im Falle einer Überhitzung, z.B. auf Grund hoher Außentemperaturen oder nach besonderen körperlichen Anstrengungen, liegen die gemessenen Istwerte höher als die vorgegebenen Sollwerte (Istwert > Sollwert). Nun gilt es, den Wärmeabtransport zu fördern. Die peripheren Blutgefäße erfahren nun eine Erweiterung (kutane Vasodilatation), werden stark durchblutet und damit der Unterschied zwischen Haut- und Außentemperatur vergrößert. Ein derartig angewachsener Wärmegradient fördert den Abtransport von Wärme. Unterstützt wird er eventuell durch Luftbewegungen wie z.B. Fächeln, die die den Körper umgebende Grenzschicht ständig zerstören und so für einen schnelleren Abtransport erwärmter Luft bzw. rascheren Austausch mit kühlerer Luft sorgen, wobei fortwährend ein hoher Temperaturgradient aufrechterhalten wird.

Durch Verdunstung von Wasser auf feuchten Körperoberflächen findet ebenfalls ein Wärmeentzug (evaporative Wärmeabgabe; je Gramm Wasser werden 0,56 kcal bzw. 2,34 kJ Verdunstungswärme entzogen) statt. Viele Säuger sondern bei hohen Umgebungstemperaturen Schweiß ab, andere befeuchten ihre Haut mit Speichel oder suhlen sich im Schlamm. Vögeln fehlen Schweißdrüsen, bei ihnen erfolgt die evaporative Wärmeabgabe über eine Steigerung der Atemtätigkeit, die als Hecheln auch bei Säugetieren (z.B. Hund, Katze, Schaf) mit schwacher Schweißproduktion bekannt ist.

Eine weitgehende Unabhängigkeit der Körpertemperatur von der Umgebung mittels physiologischer Thermoregulation wird aber auch bei den homoiothermen Vögeln und Säugern erst allmählich im Laufe der Ontogenese erreicht und vervollkommnet. Einige von ihnen beginnen ihr Leben regelrecht als Poikilotherme weil beispielsweise die Regelmechanismen noch nicht vollständig entwickelt sind. Dies betrifft vor allem die sogenannten Nesthocker, die nackt und hilflos zur Welt kommen und auf Betreuung durch ihre Eltern angewiesen sind. Die mit einem gut entwickelten Feder- bzw. Haarkleid das Licht der Welt erblickenden Nestflüchter erreichen generell eine effektive Temperaturregulation früher als Nesthocker.

 

Waren die Dinosaurier nun poikilotherme Tiere wie die heutigen Reptilien oder waren sie homoiotherm wie die rezenten Vögel und Säuger?

Aussagen zu diesem Thema basieren lediglich auf Indizien, die dem fossilen Material entnommen werden müssen und durchaus nicht immer eindeutig sind. Der größte Verfechter der These von der Endothermie der Dinosaurier ist Robert T. Bakker (1971, 1972, 1975, 1980, 1986). Er weist darauf hin, daß sowohl Dinosaurier als auch Säugetiere im fossilen Beleg etwa um die gleiche Zeit (mittlere bis obere Trias) in Erscheinung treten. Von den Mammaliern wäre auf Grund der fortschrittlicheren Physiologie, die vor allem auf der Homoiothermie beruht, und des daraus resultierenden kontinuierlich hohen Aktivitätsniveaus eher zu erwarten gewesen, daß sie sich zur dominierenden Tiergruppe entfalten würden. Dagegen wurden die Säuger während des Erdmittelalters von den Dinosauriern in Kleinstlebensräume abgedrängt und an ihrer Entfaltung gehindert. Sie fristeten ihr Dasein als Nachttiere, lebten in Höhlen, Felsspalten, im Unterholz und wurden kaum größer als heutige Ratten oder Igel. Die Dinosaurier allerdings stiegen für die nächsten 150 Millionen Jahre zu den "Herrschern" des Mesozoikums auf und erlebten eine weltweite Verbreitung in bis dahin unbekannter Artenfülle. Nach Bakker mußten sie deshalb mit physiologischen Eigenheiten ausgestattet sein, die mindestens ebenso hoch entwickelt waren, wie die der Säuger. Die Annahme eines säugerähnlichen Stoffwechsels für Dinosaurier widersprach jedoch völlig ihrer traditionellen Einstufung als Reptilien, und so mußte Bakker anhand des fossilen Materials Hinweise zur Bestätigung seiner These finden.

Knochenhistologie, Wachstum und Körpertemperatur. Bereits im Jahre 1957 verglichen S.O. Brown und D.H. Enlow histologische Knochenschnitte von rezenten Säugern und Reptilien mit denen fossiler Therapsiden und Dinosaurier. Die Dünnschliffe der Säugerknochen zeigen unter dem Mikroskop zahlreiche konzentrisch um Blutgefäße (Haverssche Kanäle) angeordnete Knochenlamellen (Haverssche Systeme, Osteone), die dicht beieinander liegen. Dagegen finden sich in den Reptilienschnitten nur wenige, weit verstreute Blutgefäße. Die Anzahl der das Knochengewebe versorgenden Blutgefäße kann grob auch als das Maß für die Aktivität des Knochens gewertet werden. Ein langsames Wachstum, wie es für Reptilien typisch ist, führt zu sehr dichtem Knochengewebe, welches nur von wenigen Blutkanälen durchzogen wird und sich in sogenannten Wachstumsringen ablagert. Die Knochen aktiver endothermer Tiere (Säuger) wachsen dagegen schneller und weisen demnach eine höhere Zahl an Haversschen Kanälen auf. Die histologischen Schnitte der Therapsidenknochen lassen sich wie erwartet in die Gruppe der Säugerschnitte einordnen. Jedoch auch die Dinosaurierschnitte ähneln mehr den Knochen moderner Mammalier als denen rezenter poikilothermer Reptilien (Abb.).

Diese Untersuchungen, die damals, 1957, kaum Beachtung fanden, wurden 1972 von Bakker im Kontext mit der Homoiothermie der Dinosaurier publiziert: Knochen können nur dann schnell wachsen, wenn auch die Körpertemperatur gleichmäßig hoch ist. Im Jahre 1974 wurden die histologischen Untersuchungen durch den Pariser Paläontologen Armand de Ricqles bestätigt, und infolge dessen galten sie als wichtigstes Argument für die "Warmblütigkeit" der Dinosaurier. Mittlerweile jedoch sind sich die Bearbeiter nicht mehr "ganz so sicher" (de Ricqles 1980, 1983; Reid, 1983, 1984, 1985), denn weiterführende Studien brachten einige Unsicherheiten zum Vorschein. Man konnte auch bei lebenden ectothermen Reptilien stark vaskuläre Knochen nachweisen, ebenso fanden sich sehr kompakte Knochen auch bei Kleinsäugetieren und Vögeln. Diese Erkenntnisse machen es notwendig, die Knochenentwicklung etwas genauer zu studieren, denn einmal gebildetes Knochengewebe ist keine dauerhafte Struktur, sondern unterliegt den ständigen Veränderungen des Knochenumbaus während der Ontogenese (Abb.).

Die langen Extremitätenknochen der Landwirbeltiere beispielsweise werden embryonal sehr zeitig als Knorpelelemente angelegt und später durch Knochenmaterial ersetzt (enchondrale Ossifikation). Dies beginnt etwa in der Mitte des Knorpelelements, im sogenannten Diaphysenbereich, wobei die Knorpelzellen (Chondrocyten) anschwellen und sich zu Säulen anordnen, zwischen denen die Grundsubstanz verkalkt. Der Knorpel wird an dieser Stelle zerstört, es entsteht ein primärer Markraum, der sich beständig in Richtung der Gelenkenden (Epiphysen) ausdehnt. Von der Oberfläche her können nun Blutgefäße und Mesenchymzellen (Zellen des embryonalen Bindegewebes) eindringen, welche die für den eigentlichen Knochenaufbau benötigten Substanzen zuführen. Auf das Gitterwerk der Reste der verkalkten Knorpelgrundsubstanz wird nun durch sogenannte Osteoblasten (Knochenbildungszellen) Knochengrundsubstanz abgelagert. Auch auf der Außenfläche des Knorpels kommt es zur Ablagerung von Knochengewebe (desmale Ossifikation), in deren Verlauf eine äußere periostale Knochenmanschette entsteht. Die im Knocheninnern gebildete primäre Knochensubstanz vereinigt sich mit der peripheren Knochenmanschette, wird jedoch bald durch knochenabbauende Zellen (Osteoklasten) zerstört und durch sekundäre Knochenbälkchen ersetzt. Unterdessen wächst der embryonale Knorpel nach beiden Enden der angelegten Struktur weiter, während die Verknöcherung in zunächst etwa gleichem Tempo folgt. Im Gegensatz zu den niederen Wirbeltieren, deren Skelettelemente nur von einem Zentrum aus verknöchern und die Endabschnitte, selbst im Erwachsenenstadium, oftmals stark knorplig ausgebildet sind, treten bei Säugern, und begrenzt auch bei den Reptilien, zusätzliche Ossifikationszentren in den Enden der Röhrenknochen auf.

Zwischen Diaphyse und Epiphyse findet sich eine knorplige Zone, welche als Epiphysenfuge bezeichnet wird und große Bedeutung für das Längenwachstum des Knochens besitzt. In dieser Zone wächst der Knorpel stetig weiter und wird von beiden Seiten her im gleichen Ausmaß durch Knochengewebe ersetzt. Übertrifft der Abbau des Knorpelgewebes dessen Neubildung, wird die Epiphysenfuge immer schmäler und verschwindet schließlich ganz, wobei die knöcherne Diaphyse und Epiphyse miteinander verschmelzen. Knorpelgewebe ist nun nur noch auf den Gelenkflächen zu finden. Ist dieses Stadium erreicht, kann kein Längenwachstum mehr stattfinden. Parallel zum Längenwachstum erfolgt aber auch ein Dickenwachstum durch schalenartige Anlagerung peripherer Knochenlagen, welche von der äußeren Knochenhaut (Periost) unmittelbar aus dem Bindegewebe gebildet werden.

Bei einigen juvenilen Dinosauriern (z.B. Maiasaura) ist der Anteil primärer Knochensubstanz in den Gliedmaßenknochen außerordentlich hoch. Der Prozeß des Abbaus der Primärsubstanz bei gleichzeitigem Aufbau sekundären Knochenmaterials verlief bei ihnen in etwa gleichem Maße wie bei den heutigen Vögeln und Säugern. Dies läßt darauf schließen, daß einige Dinosaurier in ihrer Kindheit und Jugend enorm schnell wuchsen und schon nach wenigen Jahren eine bestimmte Körpergröße erreicht haben. Danach reduzierten sie ihre Wachstumsrate drastisch, wuchsen jedoch ihr Leben lang, nun allerdings stark verlangsamt, weiter. In den Knochen läßt sich dies anhand verschieden starker Wachstumsringe noch heute erkennen. Damit gleichen die Dinosaurier sowohl den Säugern und Vögeln in ihrer hohen Wachstumsrate als auch den Reptilien, die lebenslang wachsen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen vor wenigen Jahren Reese Barrick und William Showers mittels einer Methode, welche zuvor bereits für die Ermittlung von Temperaturen vergangener geologischer Epochen (Paläotemperaturen) erfolgreich angewandt wurde. Der Sauerstoff (O) spielt hierbei eine besondere Rolle, da er innerhalb der Natur in den zwei Isotopen 16O und 18O vorkommt. Das Verhältnis beider Isotope zueinander ist stark temperaturabhängig: Mit Temperaturzunahme vergrößert sich der 16O-Anteil. Die Grundsubstanz der Knochen besteht zu ca. 85 % aus Calciumphosphat (CaPO4), welches im Prozeß der Ossifikation durch Osteoblasten abgeschieden wird. In den Phosphaten werden dabei beide Sauerstoffisotope je nach den herrschenden Temperaturverhältnissen eingebaut. Bei einem "warmblütigen" Tier müßten sich, so Barrick und Showers, sämtliche Knochen unter etwa gleichmäßig warmen Bedingungen gebildet haben und demzufolge überall ein charakteristisches konstantes Sauerstoffisotopenverhältnis aufweisen. Demgegenüber würden "Kaltblüter" im Rumpf mit deutlich höheren Temperaturen ausgestattet sein als z.B. in den Extremitäten oder im Schwanz. Infolge dessen wachsen die Rippenknochen eines Kriechtieres unter wärmeren Bedingungen heran als die Schwanzknochen.

Analysen des Sauerstoffisotopenverhältnisses verschiedener Knochen eines Rindes bzw. eines Komodowarans bestätigten diese Vermutungen. Alle untersuchten "Warmblüter"-Knochen hatten sich bei gleicher Körpertemperatur gebildet, wogegen die Schwanzknochen des Warans mitunter bis zu 9 °C kühler als dessen Rippen waren. Schließlich analysierte man das Sauerstoffisotopenverhältnis erhalten gebliebener Dinosaurierknochen. Die verschiedenen Knochen eines jugendlichen Orodromeus zeigten Relationen, die an rezente Homoiotherme erinnern. Es konnten keine größeren Temperaturunterschiede nachgewiesen werden. Ähnliches fand man in den Knochen eines Tyrannosaurus; lediglich dessen Füße wiesen etwas geringere Temperaturen auf. Dagegen zeigten die Schwanzwirbel eines großen Sauropoden, des Camarasaurus, innerhalb der gleichen Struktur interessante Unterschiede in der Isotopenzusammensetzung: Die inneren Regionen der Wirbel, welche sich beim jungen Tier gebildet hatten, ähnelten den Verhältnissen homoiothermer Tiere, während die äußeren Bereiche desselben Knochens, die erst beim erwachsenen Dinosaurier als periphere Knochenschichten angelegt wurden, an poikilotherme Tiere erinnerten. Camarasaurus war in seiner Jugend demnach "warmblütig" und besaß eine ähnlich hohe Stoffwechselaktivität wie die heutigen Vögel und Säuger, die es ihm erlaubte, besonders schnell zu wachsen. Hatte er dann eine bestimmte Größe erreicht, reduzierte sich seine Stoffwechselrate drastisch und geriet in die Bereiche rezenter Reptilien. Wie Robin Reid feststellt, hatten die Dinosaurier wohl einen eigenen, ganz individuellen Stoffwechsel, der weder reptilisch noch säugerartig sondern einfach "dinosaurisch" war.

 

Anhand zyklischer Anordnungen des Knochenmaterials, Wachstumsringen, welche histologisch an einigen Dinosaurierknochen gefunden wurden, versuchten Case (1978) und de Ricqles (1983) das Lebensalter der Riesenechsen zu berechnen. Gesicherte Aussagen zum Alter rezenter Tiere sind bereits recht schwierig anzustellen, gelingen nur bei Zootieren, die ihr gesamtes Leben in Gefangenschaft verbracht haben. Unter natürlichen Bedingungen erreichen Tiere ihr physiologisch mögliches Alter dagegen kaum. Im allgemeinen gilt: Je größer ein Tier werden kann, umso größer ist seine Lebenserwartung. Und so vermutet man bei Dinosauriern überdurchschnittlich hohe Individualalter, die je nach Größe zwischen 75 und 300 Jahren gelegen haben sollen. Wachstumsringe lassen auf ein Alter von mehr als 120 Jahren schließen. Derartige Berechnungen bleiben jedoch spekulativ. Entscheidend für die Beantwortung der Frage nach dem Alter der Dinosaurier ist die nach der Endothermie.

Im wissenschaftlichen Streit um die Thermoregulation bei Dinosauriern wurden die unterschiedlichsten Argumente angeführt und erörtert. Dabei geht es vor allem um Probleme der Körpergröße, des Körperbaus und der Fortbewegung, um Nahrungsrelationen sowie um das Sozialverhalten und die Reproduktion (Fortpflanzung). Die jeweiligen Argumente sollen in den betreffenden Kapiteln zur Sprache kommen. An dieser Stelle genügt es, festzustellen, daß man sich von der Vorstellung träger, stumpfsinniger Kolosse, die "riesendumm alles niedertrampeln", lösen muß, um die Lebensweise dieser faszinierenden Tiere richtig beurteilen zu können.