Sinnesorgane und Dinosauriergehirne

 

Sinnesorgane gehören zu den Weichteilen, welche sehr schnell nach dem Tod eines Tieres verwesen und so kaum eine Chance haben, in irgend einer Weise fossil überliefert zu werden. Aussagen über das Sinnesleben ausgestorbener Dinosaurier bleiben daher sehr allgemein und müssen indirekt von der Gestaltung der Schädel und der Lebensweise des betreffenden Tieres abgeleitet werden.

Nach den in der Regel recht enormen Dimensionen der Augenhöhlen (Orbitae) an den Schädeln der Dinosaurier zu urteilen, waren die Schreckensechsen ebenso wie ihre Nachfahren, die Vögel, vor allem "Augentiere". Der Sehsinn (optische Sinn) spielte in ihrem Sinnesleben die überragende Rolle. Er half den Tieren, Artgenossen von anderen Individuen nah verwandter Formen seiner Umgebung zu unterscheiden und sich mit ihnen zu verständigen. Den Räubern unter den Dinosauriern diente er darüberhinaus dazu, potentielle Opfertiere auszumachen. Beutetiere nutzten ihn dagegen, um einer gefahrvollen Begegnung mit dem Freßfeind rechtzeitig ausweichen zu können.

Die unterschiedlichen Aufgaben, welche dem optischen Sinn im Dienste der Ernährung bzw. des Schutzverhaltens zuteil wurden, haben eine enge Beziehung zur Stellung der Augen am Schädel. Jagende Tiere müssen ihre Beutetiere vor dem Angriff genau beobachten, um beurteilen zu können, welches der zur Auswahl stehenden potentiellen Opfer am leichtesten und gefahrlosesten zu schlagen wäre. Sie müssen dabei auf sämtliche Kleinigkeiten achten, die den physischen Zustand der belauerten Tiere preisgeben könnten.

Ein als Angriffziel ausgewähltes Beutetier muß vor dem endgültigen Zupacken fixiert und der räumliche Abstand zu ihm richtig eingeschätzt werden, soll die Jagd erfolgreich sein. Entfernungen lassen sich nur mit den überlappenden Gesichtsfeldern beider Augen bestimmen. Das ausgewählte Nahrungsobjekt muß demzufolge mit beiden Augen gleichzeitig betrachtet werden (binokulares Sehen). Aus diesem Grund stehen die Augen vieler Jäger vorn am Kopf recht nah nebeneinander. Die Schnauzen verengen sich in Richtung Nasenregion, um die nach vorn gerichtete Sicht nicht zu behindern. Indem von einen bestimmten Objekt zwei Bilder erhalten werden, können aus ihnen zusätzlich mehr Einzelheiten herausgegriffen werden, welche eine bessere Beurteilung des körperlichen Zustandes des betreffenden Beutetieres erlauben.

Innerhalb der Gruppe der überwiegend räuberisch lebenden Theropoden verfügten die riesigen Carnosaurier über sich mindestens teilweise überlagernde Sehfelder. Bei den kleineren Formen wie Deinonychus oder Troodon müssen dagegen sehr stark überlappende Gesichtsfelder angenommen werden.

Die pflanzenfressenden Dinosaurier waren gezwungen, einen möglichst großen Ausschnitt ihrer Umgebung zu beobachten, um drohende Gefahren rasch zu erkennen und sich durch eine schnelle Flucht dem Zugriff der Raubfeinde entziehen zu können. Sie müssen demnach über ein recht großes Blickfeld verfügt haben. Sie konnten sich eine Beschränkung ihres Sichtfeldes nach vorn nicht leisten, ja mußten selbst das sehen, was sich hinter ihrem Rücken abspielte. Ihre Augen sitzen daher mehr seitlich an ihren Köpfen, liegen weiter auseinander als die der räuberischen Formen und überblickten daher ausgedehntere Teile ihrer Umgebung. Derartig große Gesichtfelder überschneiden sich dagegen kaum oder nur in sehr geringem Maße und so fehlte sicherlich diesen herbivoren Dinosauriern auch die Fähigkeit, räumlich zu sehen. Auf der Suche nach Nahrung war dies für Pflanzenfresser kein bedeutender Nachteil.

Viele rezente Vögel besitzen einen besonders gut ausgeprägten Farbensinn. Unter ihnen finden sich die Formen mit dem differenziertesten Farbsehvermögen überhaupt. Auch einige Reptilien scheinen durchaus farbentüchtig zu sein. Und so liegt es nahe, auch bei Dinosauriern die Fähigkeit, verschiedene Farben voneinander unterscheiden zu können, anzunehmen.

In der Regel waren die Dinosaurier wohl tagaktive Formen. Die Nächte des Erdmittelalters "gehörten" wahrscheinlich den damaligen Säugern, welche von den übermächtigen Schreckensechsen in dieses "Schattendasein" abgedrängt wurden. Einige der räuberischen Theropoden, wie Troodon, aber folgten ihnen möglicherweise in die Dunkelheit. Eine gute Sicht bei Nacht setzt große Augen voraus, welche bedeutend lichtempfindlicher als die von tagaktiven Formen sein müssen. Tagsüber besteht jedoch das Problem, die auf nächtliches Sehen ausgerichteten, äußerst sensiblen Augen vor übermäßigen Lichteinfall zu schützen. Dazu besitzen die Tiere eine pigmentierte Regenbogenhaut (Iris), welche vor der Linse des Auges liegt und ähnlich der Blende eines Fotoapparates die Menge des Lichteinfalls reguliert. Bei starker Beleuchtung verengt sich die Öffnung der Iris (Pupille) schlitzartig, so daß die einfallende Lichtmenge verringert wird. Im Dunkeln, also bei schwachem Licht, wird die Pupille dagegen weit geöffnet. Eine sich schlitzartig verengende Pupille kann daher bei dem nachtaktiven Troodon angenommen werden.

Weiterhin ist es durchaus möglich, daß die Augen dieses Theropoden über eine lichtreflektierende Schicht am Augenhintergrund, hinter der Netzhaut (Retina), verfügten. Lichtstrahlen, die bereits durch die Retina hindurchgedrungen waren, konnten durch eine derartige Schicht erneut auf diese zurückgeworfen werden. So nutzten die nachtaktiven Räuber jede noch so geringe Helligkeit optimal aus. Diese als Tapetum lucidum bezeichnete Einrichtung ist innerhalb der rezenten Tierwelt vor allem von unseren Katzen bekannt, deren Augen in der Dunkelheit gespenstig leuchten. Sie kommt jedoch bereits bei einigen Fischen vor und ist daher nicht allein auf die Säugetiere beschränkt.

Über ein gutes Sehvermögen bei Dunkelheit müssen auch jene Dinosaurier verfügt haben, deren Überreste Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts im Südosten Australiens ("Dinosaur Cove") in Gesteinen der unteren Kreide entdeckt wurden. Zur Zeit der Unterkreide war Australien der Antarktis vorgelagert und seine Südostecke, das heutige Bundesland Victoria, befand sich weit innerhalb des südlichen Polarkreises. Wie Untersuchungen der damaligen Pflanzenwelt sowie des Verhältnisses der im Sediment enthaltenen Sauerstoffisotope 16O und 18O belegen, herrschte in dieser Region Australiens ein gemäßigtes Klima mit einer alljährlichen Periode anhaltender Dunkelheit (Polarnacht) vor. Die Polarnacht erstreckte sich möglicherweise über anderthalb bis zwei Monate. Zudem zog sich ein gewaltiges Binnenmeer quer durch den Kontinent, so daß der Südosten vom nördlichen Teil relativ abgeschirmt war. Die hier lebenden Dinosaurier konnten demnach nicht ohne weiteres in Gebiete ohne Polarnacht ausweichen und mußten sich somit den herrschenden Umweltbedingungen anpassen.

Die großen Augen des Hypsilophodontiden Leaellynasaura weisen dementsprechend auf ein gutes Sehvermögen bei Dunkelheit hin. Mangel an Nahrung bestand für den kleinen Pflanzenfresser während der Polarnächte nicht. Er hätte sich gut von immergrünen Gewächsen und herabgefallenem Laub ernähren können - natürlich unter der Voraussetzung, die Nahrungspflanzen in der Dunkelheit auch erspähen zu können.

Tiere, die während der Polarnacht auf Nahrungssuche gingen, waren Temperaturen um den Gefrierpunkt oder darunter ausgesetzt. Kein rezentes Reptil kann bei diesen Temperaturen aktiv bleiben. Leaellynasaura hätte die Polarnächte demnach nur durch Aufrechterhalten einer konstanten Körpertemperatur und häufige Nahrungsaufnahme überleben können - ein weiteres Indiz, welches für die Homoiothermie der Dinosaurier spricht.

 

Tiere, welche Laute von sich geben, um sich mit Artgenossen zu verständigen, müssen natürlich auch in der Lage sein, diese selbst wahrnehmen zu können. Töne sind physikalisch gesehen nichts anderes als recht schwache Luftschwingungen (Schallwellen) unterschiedlicher Frequenzen, welche vom Gehörsinn aufgenommen werden. Sie treffen auf eine äußere dünne Membran des Ohres, das Trommelfell, und versetzen diese ebenfalls in Schwingungen derselben Frequenz. Das Trommelfell steht mit Gehörknöchelchen in Verbindung, die die Schwingungen ins Innenohr, an die Membran des ovalen Fensters, weiterleiten. Hier schließt sich eine recht lange, mit Flüssigkeit gefüllte Röhre, die sogenannte Cochlea, an, in deren Innern jene Sinneszellen sitzen, welche die ankommenden Schwingungen in Nervenimpulse umwandeln, die vom Gehirn verarbeitet werden können.

Im Gegensatz zu den Säugern verfügen Reptilien und Vögel nicht über äußere Ohrmuscheln, welche als Schalltrichter arbeiten können. Bei ihnen liegt das Trommelfell im Ohreinschnitt etwas eingesenkt in die Schädelknochen am Hinterkopf hinter den Augen. Darüberhinaus besitzen sie nur ein stabförmiges Gehörknöchelchen und nicht wie die Säugetiere drei. Da bei vielen Dinosauriern Lautgebung angezeigt ist, müssen sie demnach auch über ein wohl entwickeltes Hörvermögen verfügt haben.

 

In enger anatomischer Beziehung zum Innenohr steht der Gleichgewichtssinn (statische Sinn), welcher dabei hilft, eine bestimmte, für die Steuerung sämtlicher Bewegungen unerläßliche Gleichgewichtslage aufrechtzuhalten. Auffällig ist vor allem der eigenartig geformte Bogenapparat, dessen flüssigkeitsgefüllte Gänge senkrecht zueinander stehend in den drei Richtungen des Raumes angeordnet sind. In ihrem Innern befinden sich Sinneszellen, die auf Drehbewegungen des Kopfes bzw. des gesamten Körpers ansprechen. Lineare Bewegungen erfassen Receptoren der sackförmigen Gebilde in direkter Nachbarschaft der Bogengänge (Utriculus und Saculus).

 

Die ausgedehnten Nasenregionen mancher Dinosaurier lassen ein gut ausgebildetes Riechvermögen vermuten (siehe Kap. 2.3 Ernährung). Bei der Untersuchung eines Schädels des kleineren Carnosauriers Nanotyrannus lancensis der oberen Kreide Montanas mittels Computertomographie stießen Robert T. Bakker, M. Williams und Pierre Currie (1988) auf eigenartige, recht dünne Knochenblätter, die spiralig verschlungen in der inneren Nasenregion dieses Tieres verlaufen. Bei makrosmatischen Säugern finden sich ähnliche Strukturen, welche von einer ausgedehnten Riechschleimhaut überzogen werden. Die Windungen der Knochenstrukturen erlauben es, eine enorm große Anzahl von Geruchssinneszellen unterzubringen und so die Voraussetzung für einen besonders guten Geruchssinn zu schaffen. Da ähnliche Strukturen bei Nanotyrannus nachgewiesen werden konnten, liegt es nahe, diesem Raubdinosaurier ebenfalls einen recht scharfen Geruchssinn zuzuschreiben.

Viele Reptilien, vor allem die Eidechsen und die Schlangen, verfügen über ein sogenanntes Jacobsonsches Organ. Es handelt sich dabei um zwei Gruben im vorderen Teil des Munddaches, welche mit Riechepithel ausgekleidet sind. Schuppenechsen riechen mit Hilfe ihrer Zunge: Beim Züngeln nimmt die an ihrem vorderen Ende gespaltene Zunge Duftstoffe aus der Umgebung auf und fährt anschließend in die Gruben des Jacobsonschen Organes. So überträgt sie die aufgenommenen Geruchsstoffe auf die Riechschleimhaut. Man spricht daher auch von einem "Riech-Schmecken".

Mitunter wurde auch bei Dinosauriern in Analogie zu den rezenten Schuppenechsen das Vorhandensein eines Jacobsonschen Organes vermutet. Allerdings ist dies weniger wahrscheinlich, da eine derartige Einrichtung bei den Krokodilen und den Vögeln nicht vorzufinden ist.

 

In enger Beziehung zum Geruchssinn steht der Geschmackssinn. Die Geschmackssinneszellen sind bei den Wirbeltieren in sogenannten Geschmacksknospen vereinigt, die sich innerhalb der Mundhöhle, vor allem aber auf der Zunge, befinden. Herbivore Tiere, wie die Ornithopoden oder die Ceratopier, die ihre Nahrung gut durchkauten, prüften mit ihrem Geschmackssinn die Qualität des aufgenommenen Futters. Die Zunge half darüberhinaus beim Hin- und Herschieben der Nahrung im Mund während des Kauvorganges. Andere Pflanzenfresser, wie die Sauropoden, oder auch die fleischfressenden Dinosaurier, die ihre Nahrung recht unzerkaut hinunterschluckten, werden wahrscheinlich kaum auf den Geschmack des Futters "geachtet" haben. Ihre Zunge diente vor allem dazu, die abgerissenen Pflanzenteile bzw. den Fleischbrocken für das Abschlucken gut zu positionieren.

 

Die Receptoren des Tastsinns liegen über weite Bezirke der Körperoberfläche verteilt, sind nicht in einem besonderen Organ zusammengeschlossen. Dies liegt an der Natur des Tastsinns: Er reagiert auf Druck, Berührung oder Stoß und unterrichtet das Tier über Gegenstände, mit denen es in körperlichen Kontakt kommt. Die "dicke" Haut der Dinosaurier, welche häufig von kleineren und größeren polygonalen Hornplättchen besetzt war, die Verletzungen hindern sollten, wenn die Tiere durch's Dickicht rannten, scheint nicht besonders tastempfindlich gewesen zu sein. Einige begrenzte Körperbereiche, wie beispielsweise die Schnauze und bestimmte Regionen am Hals, waren dagegen sicherlich in ihrer Tastempfindlichkeit etwas gesteigert. Manche Dinosaurier könnten diese Körperstellen zur Paarungzeit aneinander gerieben haben.

 

Allgemeine Aussagen zum Sinnesleben der Dinosaurier ermöglichen auch die überlieferten Hinweise auf deren Gehirne. Ebenso wie sämtliche anderen Weichteile auch, verwest die Hirnsubstanz nach dem Tod eines Tieres zu schnell, um direkt überliefert werden zu können. Dennoch ist es möglich, daß während des Prozesses der Fossilwerdung in den ursprünglich vom Gehirn eingenommenen Schädelhohlraum Schlammassen eindringen und diesen voll ausfüllen. Es entsteht auf diese Weise ein natürlicher Ausguß dieses Hohlraumes, welcher in seiner Form und Größe die Verhältnisse des ursprünglichen Gehirns fast identisch wiedergibt. Mitunter bleiben die Wurzeln der Gehirnnerven, die Blutgefäße der Schädelregion, die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) und selbst der Bogengangapparat des Gleichgewichtssinnes erhalten, wie beispielsweise an einem Iguanodon-Schädel aus der Unterkreide von Sussex, welcher im Londoner Natural History Museum ausgestellt wird.

Die Ausdehnung verschiedener Gehirnanteile, welche beispielsweise für die Verarbeitung bestimmter Sinnesempfindungen verantwortlich sind, lassen erkennen, welche Bedeutung der jeweilige Bezirk für das Leben des Tieres gehabt hatte. Die vergrößerten Sehlappen (Lobi optici) vieler fossiler Dinosaurier-"Gehirne" deuten auf ein gut ausgebildetes Sehvermögen hin. Ausgedehnte Riechlappen (Lobi olfactorii) lassen weiterhin vermuten, daß der Geruchssinn eine große Rolle gespielt hatte. Ein gut entwickeltes Kleinhirn (Cerebellum) spricht für eine enorme körperliche Agilität.

Bei vollständig überlieferten Schädelkapseln, welche keine natürlich entstandenen Ausgüsse des Gehirnhohlraumes aufweisen, ist es möglich, auf künstlichem Wege derartige Abformungen herzustellen. Die natürlichen und künstlichen Ausgüsse der Schädelkapseln erlauben, das Gehirnvolumen der betreffenden Tiere zu bestimmen. Über das Volumen läßt sich analog der Berechnung der Körpermasse das ursprüngliche Gewicht des lebenswichtigen Organs errechnen.

Erste Berechnungen der Gehirnmasse führte der bedeutende amerikanische Paläontologe Othniel Charles Marsh Ende des 19. Jahrhunderts an vollständig überlieferten Sauropoden-Schädeln durch. Wie sich herausstellte, betrug die Gehirnmasse dieser gigantischen Tiere im Durchschnitt nur 1/100 000 des Körpergewichtes. Bei Stegosaurus, dessen etwa wallnußgroßes Gehirn auf 60 g veranschlagt wird, macht es etwa 1/30 000 bis 1/60 000 des Gesamtgewichtes aus; je nachdem, welche Gesamtgewichtsangabe dem Vergleich zugrunde gelegt wurde.

Interessanterweise ist der Rückenmarkskanal der Kreuzbeinwirbel bei den Stegosauriern ebenso wie bei den Sauropoden enorm aufgetrieben und übertrifft in seinem Umfang das eigentliche Gehirn der Tiere bei weitem. Man spricht häufig von einem "zweiten Gehirn" in der Beckenregion. Dieses war mit Sicherheit jedoch nicht wie ein richtiges Gehirn gebaut, sondern entsprach in seiner Struktur voll dem Bau des übrigen Rückenmarks. Generell finden sich bei Tetrapoden Anschwellungen des Neuralkanals an Stellen, an denen besonders starke Nervenbündel vom Rückenmark abgehen, insbesondere in der Schulter- und Beckenregion. Das "zweite Gehirn" der Dinosaurier deutet demnach auf eine gute nervale Versorgung der Muskeln der hinteren Extremitäten und des großen Schwanzes hin.

Es muß jedoch nicht zwangsläufig vollständig mit Nervengewebe ausgefüllt gewesen sein. Bei einigen rezenten Vögeln enthält ein recht enormer Teil des vergrößerten Rückenmarkskanals einen Glycogenvorrat. Glycogen ist eine hochmolekulare Speicherform des Blutzuckers (Glucose) im tierischen Organismus und spielt eine wesentliche Rolle bei der Energieversorgung der Muskulatur.

Ankylosaurier verfügten über ähnlich kleine Gehirne wie die Stegosaurier. Die Gehirne der Ceratopier, Ornithopoden und Carnosaurier besaßen größere Dimensionen, kamen vielleicht auf 1/15 000 bis 1/20 000 des Gesamtgewichtes. Übertroffen wurden sie jedoch deutlich von denen kleinerer Theropoden, wie den Deinonychosauriern, welche bereits vogelähnliche Verhältnisse erreichten (Hopson, 1977, 1978, 1980).

 

Dumme Dinos? Die Dinosaurier stehen traditionell in dem Ruf, besonders dumm gewesen zu sein. Insbesondere die größten unter ihnen verfügten über recht kleine Gehirne - ein Zeichen mangelnder Intelligenz? Was aber wissen wir wirklich über die Intelligenz dieser Tiere? Intelligenz läßt sich bereits beim Menschen schwer bestimmen, selbst wenn mitunter bestimmten Intelligenztests eine gewisse Bedeutung beigemessen wird. Bei rezenten Tieren ist es noch schwieriger, ihre geistigen Fähigkeiten richtig zu bewerten. Sie werden oftmals daran gemessen, was man einem Tier alles beibringen kann oder nicht. Intelligenz nimmt jedoch sehr unterschiedliche Ausmaße an: Räuberische Tiere leben beispielsweise unter vollkommen anderen Bedingungen wie Pflanzenfresser und an diese haben sie sich neben ihren physischen Eigenschaften natürlich auch in ihren geistigen angepaßt.

Je größer die Anforderungen sind, die die Lebensweise eines Tieres an dessen Gehirn stellt, umso leistungsfähiger müßte es sein. Der Nahrungserwerb eines Pflanzenfressers stellt keine besonderen Ansprüche an dessen Gehirn. Pflanzliche Nahrungsobjekte laufen bei Annährung des sie nutzenden Lebewesens nicht davon. Ein herbivores Tier muß daher nicht besonders intelligent sein, um seine Nahrung zu finden und aufzunehmen. Völlig anders sieht die Sache jedoch für einen räuberischen Fleischfresser aus. Seine Beute läuft ihm weg, wehrt sich, ist prinzipiell viel schwerer zu erlangen als pflanzliche Nahrung. Dem Räuber muß es irgendwie gelingen, die Schutzstrategien seiner potentiellen Beutetiere zu überlisten. Ein bestimmtes, recht hochanzusetzendes Mindestmaß an Intelligenz ist für ihn daher einfach unumgänglich.

Tiere, welche durch vorhandene Panzerungen und Abwehrstrukturen gut geschützt sind, müssen nicht ständig "auf der Hut" vor den Übergriffen von Freßfeinden sein. Sie können einem Angriff durch das Vertrauen auf ihre eigene Wehrhaftigkeit relativ gelassen entgegensehen. Es erübrigen sich besondere Sinnesleistungen und assoziative Fähigkeiten, um den Räuber möglichst früh zu erspähen, auf die jedoch weniger wehrhafte Tiere, die sich durch eine rechtzeitige und rasche Flucht dem Zugriff des Freßfeindes entziehen müssen, angewiesen sind.

In Gruppen lebende Tiere müssen miteinander in oftmals vielschichtige soziale Beziehungen treten, die ebenfalls recht hochentwickelte geistige Fähigkeiten erforderlich machen.

Nach den vorgestellten, recht allgemein gehaltenen Anforderungen lassen sich die einzelnen Dinosauriergruppen in einer Art Intelligenzskala einordnen. Am unteren Ende der Skala müßten wir die durch Größe, Panzerstrukturen und eventuell durch ein Zusammenleben in kleineren oder größeren Herden recht gut geschützten Sauropoden, Ankylosaurier und Stegosaurier ansiedeln. Andere Herdentiere wie die Ceratopier und die Ornithopoden folgen ihnen. Das obere Ende dieser Skala bilden die räuberischen Theropoden, zunächst die riesigen Carnosaurier, gefolgt von den Ornithomimiden und den in Rudeln jagenden Deinonychosauriern. Gerade letztere verfügen über Gehirne, welche in ihrer Größe denen rezenter Vögel und mancher Säugetiere durchaus vergleichbar sind. Für den Deinonychosaurier Troodon (Stenonychosaurus) aus der obersten Oberkreide Nordamerikas ist sogar das Vorhandensein eines vogelähnlichen Großhirns belegt (Russel, 1969). Eine entsprechende Intelligenz wäre also zumindest für diese Form anzunehmen.

Was wäre wohl aus solchen intelligenten Formen, wie dem Troodon, geworden, wenn die Dinosaurier nicht gegen Ende der Kreidezeit ausgestorben wären? Diese Frage stellten sich im Jahre 1982 die kanadischen Wissenschaftler Dale A. Russel und R. Seguin. Nach ihren Spekulationen hätten sich diese Deinonychosaurier in Richtung eines fiktiven menschenähnlich gebauten "Dinosauroidens" entwickelt. Dieser schwanzlose "Dinosauriermensch" läuft völlig aufrecht auf seinen Hinterbeinen, besitzt dreifingrige bzw. -zehige Hände und Füße und natürlich ein enorm großes und leistungsfähiges Gehirn. Er lebt in großen Gruppen und benutzt Werkzeuge, um seine Umgebung tiefgreifend zu seinem ausschließlichen Vorteil zu verändern.

 

Die Gehirne der meisten Dinosaurier lassen sich mindestens mit denen höherer Reptilien (Krokodile) vergleichen. Einige Formen erreichten jedoch höchstwahrscheinlich sogar vogelähnliche bis säugerähnliche Verhältnisse. Es muß in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß derart große Gehirne zur Aufrechterhaltung ihrer Leistungsfähigkeit eine bestimmte optimale, ständig gleichbleibende Körpertemperatur benötigen. Leistungsfähige Gehirne finden sich demnach nur bei gleichwarmen Tieren. In Folge dessen wäre gerade bei den recht kleinen und überaus agilen Deinonychosauriern Homoiothermie anzunehmen.