Innerartliche Beziehungen

 

Artgenossen stellen prinzipiell übereinstimmende Ansprüche an ihre Umwelt. Sie bevorzugen beispielsweise die gleiche Nahrung, das gleiche Gebiet und unter Umständen den gleichen Geschlechtspartner. Damit wetteifern sie miteinander um diese lebensnotwendigen Ressourcen, welche nur begrenzt in ihrem Lebensraum zur Verfügung stehen. Und so sind Artgenossen zunächst einmal schärfste Konkurrenten. Andererseits sind sie aber auch Partner; sei es nur, um die Fortpflanzung und eine eventuell sich daran anschließende Aufzucht ihrer Nachkommen zu sichern. Infolge dessen werden die Beziehungen der Angehörigen einer Art untereinander von den entgegengesetzten Tendenzen der Anziehung (Attraktion) und Abstoßung (Repulsion) bestimmt. Betrachten wir zunächst die Beziehungen zwischen Artgenossen als Folge ihrer sich aus der beschränkten Verfügbarkeit bestimmter lebenswichtiger Ressourcen ergebenden Konkurrenz.

Die Konkurrenz unter den Artgenossen drückt sich im aggressiven Verhalten deutlich aus. Die Tiere entwickeln sogenannte agonale, d.h. auf den Gegner bezogene Verhaltensweisen, deren Ziel es ist, sich im Wettstreit um die Mittel zur Lebenserhaltung (z.B. Nahrung) und zur Fortpflanzung (Geschlechtspartner) erfolgreich durchzusetzen, den Artgenossen, insbesondere den gleichgeschlechtlichen, dabei auf Abstand zu bringen und sich somit einen Existenzraum für die Wahrung der eigenen Umweltansprüche zu schaffen (Michaelis, 1976).

Die innerartliche (intraspezifische) Aggression erfüllt in der Regel mehrere Funktionen. Sie hilft den Tieren, einen bestimmten Ausschnitt ihres Lebensraumes als Revier oder Territorium abzugrenzen und gegenüber anderen Artangehörigen zu behaupten. Dadurch bewirkt sie ein Abstandhalten der Individuen einer Art voneinander und damit deren gleichmäßigere Verteilung über einen größeren Raum. Ein derart territoriales Verhalten trägt folglich wesentlich zur Ausbreitung der Vertreter einer Tierart bei und verhindert zugleich eine zu starke Ausbeutung des Lebensraumes, z.B. durch eine intensive Beweidung. Ein Revier kann zum einen als alleiniger Grundbesitz eines Einzeltieres verstanden werden (Einzelrevier), welcher gegen jeglichen Artgenossen aggressiv verteidigt wird. Oftmals werden jedoch lediglich gleichgeschlechtliche Artangehörige vertrieben. Zum anderen aber kann das Territorium auch Besitz einer kleineren oder größeren Gruppe von Individuen einer Art sein (Paar- und Gruppenreviere), die keine gruppenfremden Artgenossen dulden. In der Regel sichern Territorien als Nahrungsreviere die individuelle Ernährungsgrundlage des oder der Revierbesitzer, stehen darüberhinaus als Fortpflanzungsreviere im Dienste der Reproduktion. Im letzteren Fall können sie einerseits als Ort der Balz und der Begattung dienen, andererseits einen Platz für die Eiablage und die Aufzucht der Nachkommen garantieren.

Bei vielen Tierarten ist territoriales Verhalten auf eine bestimmte Zeit, im Normalfall auf die Fortpflanzungszeit, beschränkt. Oftmals besetzen dann die Männchen das Revier. Bei der Reviergründung kämpfen die Tiere im allgemeinen miteinander, geht es doch darum, ein mit den begehrten Ressourcen möglichst gut ausgestattetes Territorium zu erlangen. Aggressivere Individuen sind dabei generell im Vorteil, da sie in der Regel günstiger gelegene und größere Gebiete erobern.

In Beschlag genommene Reviere werden von ihren Besitzern häufig in besonderer Weise gekennzeichnet und damit anderen Artangehörigen gegenüber als Grundbesitz deklariert. Die makrosmatischen Säugetiere verwenden dazu vielfach Duftmarken, welche an bestimmten, auffälligen Punkten des Territoriums beispielsweise mit dem Kot oder dem Harn abgesetzt werden. Andere, insbesondere sehr auffällig und prächtig gefärbte Tiere stellen sich in ihren Revieren deutlich zur Schau, suchen dazu gut sichtbare, exponierte Stellen auf und nehmen ganz besondere Körperhaltungen ein. Zur Lauterzeugung fähige Tiere stellen diese oftmals in den Dienst der Reviermarkierung. Bekannt sind vor allem die Gesänge der Singvögel, die ihren Besitzanspruch damit akustisch bekräftigen.

Sind die Grenzen der Reviere einmal erkämpft und abgesteckt, treten nur noch gelegentlich Kämpfe zwischen dem Revierinhaber und eindringenden Rivalen auf. Die Besitzer benachbarter Territorien kennen häufig einander und respektieren die Grenzen ihrer Gebiete. Im allgemeinen nimmt die Bereitschaft zur Revierverteidigung zur Mitte des besetzten Territoriums hin zu, während die Randgebiete weniger intensiv abgesichert werden. Aber selbst außerhalb ihrer Territorien sind viele Tiere dazu bereit, zu nahe kommende Artgenossen anzugreifen. Sie tragen dann gewissermaßen ständig ein kleines Revier, ihre "Privatzone", mit sich, welche der Biologe als Individualdistanz bezeichnet.

Wir wissen leider kaum etwas darüber, welche Dinosaurierarten Territorien besaßen. Dies wird wahrscheinlich immer ein Geheimnis dieser faszinierenden Tiere bleiben, welches durch die Auswertung fossiler Überreste kaum zweifelsfrei entschlüsselt werden kann. Aber anhand der Vergleiche mit rezenten Tieren muß territoriales Verhalten bei einigen Dinosauriern durchaus angenommen werden. Besser belegt ist dagegen die Tatsache, daß einige der "schrecklichen Echsen" in zum Teil recht großen Gruppen lebten (siehe Kap. 2.3. Ernährung sowie 2.4. Schutzstrategien).

Werden die fossilen Überreste mehrerer Individuen einer Art eng beieinander am selben Ort und in der gleichen geologischen Schicht gefunden, so muß auf Gruppenbildung geschlossen werden. Es kann jedoch in der Regel nicht die Frage beantwortet werden, worauf die gefundene Ansammlung der Tiere zurückführbar ist. Gruppenbildungen von Tieren können allein auf der anziehenden Wirkung gewisser Umweltgegebenheiten beruhen und dadurch zustande kommen, daß viele Einzelindividuen unabhängig voneinander die gleiche Stelle (z.B. eine Tränke) aufsuchen. Ihr Zusammenkommen ist im Sinne des sozialen Verhaltens rein zufällig, und so bezeichnet der Biologe derartige "Scheingesellschaften" als Aggregationen.

Echte Gemeinschaften liegen dagegen immer nur dann vor, wenn die Artgenossen von Ihresgleiches angezogen werden (soziale Attraktion). Je nach dem, ob sich die Mitglieder einer Vereinigung persönlich, individuell kennen oder nicht, werden derartige Verbände in anonyme bzw. individualisierte Gesellschaften unterteilt. In anonymen Vergesellschaftungen fehlt die individuelle Bekanntschaft. Häufig sind derartige Gemeinschaften daher offen, d.h. jederzeit kann ein Artgenosse zum Verband zustoßen, ohne daß dadurch das Verhalten der gesamten Gruppe wesentlich beeinträchtigt wird. Mitunter können jedoch die Gruppenmitglieder an gewissen überindividuellen Merkmalen (z.B. einheitliche, charakteristische Gruppendüfte) erkennen, ob ein Tier zur betreffenden Gruppe gehört oder nicht. Lediglich dem Verband angehörige Individuen werden in diesem Fall toleriert, gruppenfremde Artangehörige dagegen heftig bekämpft und eventuell sogar getötet. Eine solche anonymen Gesellschaft nennt der Biologe geschlossen.

Die Mitglieder individualisierter Verbände kennen einander persönlich und dulden daher fremde Artgenossen kaum. In der Regel leben in individualisierten Gemeinschaften wenige Individuen einer Art zusammen - nur so lassen sich derartige Verbände überschauen. Sie entstammen im Normalfall einer Familie, beruhen also letztlich auf dem Zusammenleben selbständiger Nachkommen und deren Eltern. Von den Theropoden Allosaurus und Deinonychus wissen wir, daß sie wahrscheinlich in kleineren, familiären Rudeln jagten. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann daher behauptet werden, daß die Mitglieder dieser Rudel einander individuell kannten. Persönliche Bekanntschaft der Mitglieder der riesigen Herden der Hadrosaurier (Maiasaura) und Ceratopier (z.B. Centrosaurus) kann dagegen ausgeschlossen werden. Sicherlich setzten sich diese großen Tierverbände aus kleineren Gruppen zusammen, deren einzelne Vertreter einander individuell kannten.

Das Zusammenleben der Individuen einer Art in kleineren oder größeren Gemeinschaften erweist sich infolge der innerartlichen Aggression als problematisch. Aggressives Verhalten kann einerseits dem inneren Zusammenhalt der Gruppe abträglich sein, muß jedoch andererseits aus den bereits vorgestellten Gründen der Konkurrenz zwischen den Artgenossen erhalten bleiben. Um ein engeres Zusammenleben der Mitglieder eines Verbandes zu ermöglichen, müssen Mechanismen gefunden werden, die dazu beitragen, die gruppeninterne Aggression herabzusetzen.

Andauernde Streitigkeiten beispielsweise um Nahrung, Ruheplätze, Nistplätze oder Geschlechtspartner können bei in individualisierten Verbänden lebenden Tieren durch die Ausbildung einer Rangordnung wesentlich eingeschränkt werden. Eine derartige soziale Rangfolge entwickelt sich innerhalb der Gruppe in der Folge gelegentlicher Kämpfe. Jedes Gruppenmitglied erkennt dabei, welche Artgenossen ihm überlegen bzw. unterlegen sind, und erlangt dadurch eine bestimmte Stellung, einen Rang, innerhalb der Gemeinschaft. Es bildet sich eine Gruppenhierarchie heraus, deren Bestand über längere Zeit aggressive Auseinandersetzungen verhindert. Ranghohe Individuen dominieren über rangniederen. Das ranghöchste Tier wird als Alpha(a )-Tier, das rangniedrigste als Omega(w )-Tier bezeichnet. Normalerweise erhält das dominante a -Tier den Vortritt zu begehrten Umweltressourcen (vor allem Nahrung und Geschlechtspartner). In manchen Verbänden pflanzen sich allein ranghohe Tiere fort. In der Gruppenhierarchie weit oben stehende Individuen haben jedoch nicht nur Vorteile, sie übernehmen häufig besondere Aufgaben im Dienste der Gemeinschaft. Sie sorgen für den Zusammenhalt der Gruppe, indem sie auftretende Streitigkeiten zwischen einzelnen Mitgliedern schlichten. Sie bestimmen bei notwendigen Wanderungen den Zeitpunkt des Aufbruchs und die Wanderrichtung. Die immer wieder kehrenden Rangstreitigkeiten werden oftmals in Zeiten verlegt, in denen es weder besondere Probleme beim Nahrungserwerb gibt, noch Jungtiere zu betreuen sind.

Aggressives Verhalten hilft den Tieren, Reviere zu besetzen und diese als Grundbesitz gegen andere Artgenossen zu verteidigen. Innerhalb größerer Gruppen von Individuen einer Art führt es zur Ausbildung von Rangordnungen, die jedem Tier einen bestimmten Platz in der Gemeinschaft zuordnen und so dauernde Auseinandersetzungen zwischen Gruppenmitgliedern vermeiden. Darüber hinaus trägt Aggression zur Fortpflanzungszeit dazu bei, über Rivalenkämpfe der Männchen mit ihresgleichen die Stärkeren und Gesünderen für die Fortpflanzung auszuwählen, denn nur diese haben die Chance, als Sieger der innerartlichen Auseinandersetzungen hervorzugehen.

Verhaltensweisen des Kämpfens werden bei Reibereien zwischen Rivalen, ebenso wie bei der Revierverteidigung, durch vom Artgenossen ausgehende Signale ausgelöst. Oftmals aktivieren Geschlechtsmerkmale beim gleichgeschlechtlichen Kontrahenten Aggressionen. Die Auseinandersetzung beginnt mit der schwächsten Form aggressiven Verhaltens, mit dem Drohen. Dabei werden bestimmte Merkmale zur Schau gestellt, die als zuverlässige Indikatoren der Kampfbereitschaft des drohenden Tieres gewertet werden können. Ein drohendes Tier macht sich häufig größer, richtet sich zu seiner vollen Größe auf und spreizt den Körperumriß vergrößernde Strukturen (z.B. Kämme), die zusätzlich mit beeindruckenden Mustern ausgestattet sind. Andere nehmen bestimmte Stellungen und Haltungen ein, demonstrieren ihre Breitseiten oder zeigen betont ihre Waffen hervor. Aus Bewegungen, die einem Angriff vorausgehen, werden oftmals Drohbewegungen, die die Absicht zum Kampf signalisieren. Die Tiere reißen dann ihr Maul auf, entblösen bedrohlich ihr Gebiß, fletschen ihre Zähne oder deuten ein Anspringen des Gegners an.

Begleitet werden diese Aktionen durch Lautäußerungen. Besonders tiefe Töne finden als Drohlaute Verwendung, da sie auf eine bestimmte Körpergröße hinweisen. Viele Tiere drohen mit den gleichen Mitteln auch gegen Freßfeinde und Nahrungskonkurrenten, die nicht ihrer eigenen Art angehören. Gelingt es einem Tier, durch eindrucksvolles Drohen, den Rivalen einzuschüchtern, so ist die Auseinandersetzung bereits entschieden, ohne daß es zum eigentlichen Kampf, d.h. zu körperlichen Kontakten, gekommen ist. Der Verlierer zieht sich zurück und überläßt dem Sieger das Feld. Läßt sich jedoch der Gegner nicht durch die Bemühungen seines Gegenübers beeindrucken, droht er vielmehr ebenso intensiv zurück, mündet das wechselseitige Drohen in wirkliches Kampfverhalten, welches sich jedoch in der Regel deutlich vom zwischenartlichen Kampf, beispielsweise zwischen Räuber und Beute, unterscheidet.

Gerade bei Tieren, die mit sehr gefährlichen Waffen ausgerüstet sind, deren Einsatz leicht tödliche Verletzungen hervorrufen kann, bilden sich komplizierte Turnierregeln heraus, die es den Gegnern erlauben, unblutig und relativ gefahrlos miteinander zu kämpfen. Die gesamte Auseinandersetzung wandelt sich dann zu einer Art Turnier um, welches im biologischen Sprachgebrauch auch als Kommentkampf bezeichnet wird. Sinn eines solchen Turnierkampfes ist es, die Kraft des Gegners zu messen, ohne ihn dabei ernsthaft zu verletzen.

Es muß jedoch danach gefragt werden, welchen Vorteil das im Kampf überlegene Individuum davon hätte, seinen Kontrahenten für weitere Auseinandersetzungen zu schonen, anstatt ihn endgültig "aus dem Weg zu räumen". Derjenige, der seinen Gegner völlig vernichtet, ist doch letztlich erfolgreicher und erhöht damit seinen eigenen Fortpflanzungserfolg. Es müßten folglich immer mehr Individuen entstehen, die ihre Gegner umbringen. Im Gegenzug würden diese Beschädigungskämpfer allerdings zunehmend auf ihresgleichen treffen, und so wird eine Auseinandersetzung für sie selbst riskanter. Nun haben wieder jene Individuen einen Vorteil, die den Beschädigungskämpfern ausweichen. Sie brauchen nur darauf zu warten, daß sich diese gegenseitig ausschalten, und können sozusagen als "lachende Dritte" unverletzt, um die Weibchen werben. Es stellt sich somit immer ein bestimmtes Verhältnis zwischen Kommentkämpfern und Beschädigungskämpfern in einer Population ein.

Wie J. Maynard-Smith & G.R. Price (1973) feststellten, ergeben sich für Turnierkämpfer allerdings eindeutige Vorteile, so daß sich Beschädigungskämpfer oft nur zu einem geringen Anteil in einer Population halten können. Beispielsweise gehen selbst die Sieger aus einem wirklich ernsten Kampf kaum ohne gefährliche Wunden hervor, die eine größere Auffälligkeit für ihre Raubfeinde zur Folge haben können und so die verletzten und zusätzlich geschwächten Individuen als Beutetiere geradezu prädestinieren.

Andererseits können manche Tiere sowohl turnierhaft als auch beschädigend kämpfen, je nach dem, welche Strategie ihr Kontrahent verfolgt. Die jeweilige Kampfform richtet sich mitunter auch danach, wieviel ein Männchen dabei "auf's Spiel zu setzen gedenkt". Heranwachsende Tiere, die körperlich unterlegen und zudem noch recht unerfahren sind, würden mit frühen Kampfverletzungen spätere Erfolgsaussichten deutlich verkleinern, und sich so ihrer eigenen Fortpflanzungschancen berauben. Ältere Individuen, denen nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, sich erfolgreich fortzupflanzen, geraten dagegen in eine Art "Torschlußpanik" und sind dann bedeutend aggressiver und kampfbereiter. In diesem Fall wäre es von Vorteil, daß Alter eines Individuums nach außen hin kundzugeben, wie dies beispielsweise Hirsche mit ihren Geweihen tun. Junge Männchen können so erkennen, daß sie diesen Artgenossen in ihrem eigenen Interesse wohl besser aus dem Weg gehen sollten, und dies bedeutet gleichermaßen für die älteren Tiere eine beachtliche Kampf- und damit Kraftersparnis.

Kommentkämpfe werden nach ganz bestimmten Regeln abgehalten und ermöglichen ein unblutiges Kräftemessen der Gegner, sebst dann, wenn vorhandene Waffen wohl dazu geeignet wären, den Rivalen ernsthaft zu verletzen. Wenn während des Kampfes einer der Kontrahenten bemerkt, daß er seinem Gegner nicht gewachsen ist, beschwichtigt er ihn mit Demutsgebärden, die weitere Angriffe hemmen. Derartige Unterwerfungshaltungen stellen in der Regel das genaue Gegenteil der zum Kampf provozierenden Drohstellungen dar. Angriffswaffen werden vom Gegner abgewendet, kampfauslösende Signale verborgen. Die unterlegenen Tiere machen sich kleiner, legen sich mitunter nieder oder weisen ungeschützte Körperpartien vor. Der Sieger beendet daraufhin den Kampf und wartet nun seinerseits in drohender Stellung darauf, daß der Verlierer die Flucht ergreift.

 

Wie kämpften die Dinosaurier? Kein Mensch hat je einen Dinosaurier im Kampf mit seinen Artgenossen beobachten können. Vorstellungen über die innerartlichen Auseinandersetzungen dieser faszinierenden Tiere beruhen daher vorrangig auf Spekulationen in Analogie zu rezenten Vorgängen. Zunächst werden selbst die kräftigsten Dinosaurier es versucht haben, ihren Gegner mit Drohverhalten einzuschüchtern und zum Rückzug zu bewegen, bevor es zum eigentlichen, ernsthaften Kampf kam. Sauropoden drohten vielleicht mit ihrer gigantischen Größe im tripodialen Stand, schwenkten dazu ihre Vorderbeine und ließen sich in Richtung Gegner nach vorn fallen, um erneut ihren Vorderkörper anzuheben. So könnten sie Schritt für Schritt ihren Rivalen zurückgedrängt haben. Sicherlich untermalten die riesigen Tiere ihre Drohbewegungen mit tiefen Lautäußerungen. Wich der Gegner nicht aus, sondern stellte sich zum Kampf, peitschten sich die Sauropoden vielleicht einander mit ihren Schwänzen, ähnlich wie dies von den Männchen der Lava-Eidechsen bekannt ist. Möglicherweise schlugen nebeneinanderstehende Elefantendinosaurier-Bullen aber auch ihre Hälse nach Giraffenart gegeneinander und maßen somit ihre Kräfte. Der Verlierer zog sich danach unter Beschwichtigungsgebärden zurück.

Innerartliche Auseinandersetzungen finden bei den heutigen horn- oder geweihtragenden Huftieren in einer deutlich turnierhaften Form statt. Ähnliches läßt sich daher mit Sicherheit auch von den wehrhaften Ceratopiern berichten. Diese werden ihre spitzen gefährlichen Hörner sicher nie dazu verwendet haben, einen Artgenossen aufzuspießen, wohl aber dazu, sie in den relativ ungeschützten Leib eines Carnosauriers zu rammen. Beim innerartlichen Kräftemessen fochten die Horndinosaurier nach festgelegten Regeln. Zum Drohen senkten die Ceratopier ihren Kopf, so daß die spitzen Hörner waagerecht nach vorn zeigten und das mitunter enorm große Nackenschild sich vom Körper fast senkrecht abhob. Eventuell war der Kragen zusätzlich mit farbenprächtigen Mustern überzogen, die als Rangabzeichen dem Gegner Alter und soziale Stellung des Trägers innerhalb der Gruppenhierarchie signalisierten (Farlow & Dodson, 1975).

Da die Augen der Horndinosaurier nicht direkt nach vorn gerichtet waren, und somit eher zu den Seiten blickten, waren die Tiere, um den Abstand zu ihren Rivalen richtig einschätzen zu können, dazu gezwungen, ihren Kopf hin- und herzuschwenken. Dieses Kopfschütteln, welches einem ernsthaften Angriff vorausging, wurde sicherlich zur Drohgeste ritualisiert. Vielleicht umliefen sich auch die Ceratopier-Bullen mit gesenktem Kopf gegenseitig und deuteten ihre Absicht zum Kampf durch zu den Flanken ihres Gegners gerichtete warnende Kopfstöße an.

Formen, wie Protoceratops, welche nur über kleine, stumpfe Höcker auf der Nasen- und Überaugenregion verfügten, verpaßten dem Rivalen vielleicht noch richtige Stöße in ungeschützte Körperbereiche. In diesem Fall waren jene im Vorteil, die die schmerzhaftesten Schläge austeilen konnten, d.h. die mit den kräftigsten Höckern. Die großen Nasen- und Überaugenhörner späterer Ceratopier, wie Styracosaurus, Triceratops oder Torosaurus, dagegen wären in einem solchen Kampf tödliche Waffen gewesen. Bei Styracosaurus verhinderten wohl die vom Nackenschild abstehenden Hörner Angriffe gegen die gefährdeten Flankenregionen. Seitliche Angriffe waren aber wohl im turnierhaft ausgetragenen Rivalenkampf der mit derart gefährlichen Hörnern ausgestatteten Ceratopier-Bullen generell tabu. Statt dessen rammten die Kontrahenten ihre Köpfe frontal aufeinander, so daß sich die Überaugenhörner ähnlich wie Hirschgeweihe ineinander verhakten, regelrecht eingabelten. Nun versuchte der eine den anderen niederzuringen, wobei die Hörner ein Abrutschen der Rivalen beim Kräftemessen verhinderten. Die Tiere schoben sich solange hin und her, bis einer von ihnen aufgab und flüchtete. War eine schnelle Flucht unmöglich, nahm der Besiegte eine Demutsstellung ein, die weitere Angriffe des Siegers hemmte.

Verletzungen blieben jedoch selbst in einem turnierhaft geführten Kampf nicht völlig aus, wie Vernarbungen an fossil überlieferten Nackenschildern zeigen. Aus Wyoming wurde der Schädel eines Triceratops serratus beschrieben, der an der Stelle eines Horns nur einen abgerundeten, mit Knochenauswüchsen (Exostosen) bedeckten Stummel aufweist. Offensichtlich war das Horn noch zu Lebzeiten des Tieres, vielleicht bei einem Rivalenkampf, abgebrochen. Die Knochenwucherungen belegen, daß das betreffende Individuum noch einige Zeit danach gelebt hatte, es sich also um keine tödliche Verletzung handelte.

Hadrosaurine mit verdickter Nasenregion, wie Kritosaurus, verteilten mit ihrem Nasenhöcker vermutlich kleinere Stöße zur Halsregion ihrer Rivalen, während solche Formen wie Saurolophus ihre Hinterhauptsstachel als Waffe einsetzten. Eine solche Funktion konnten die hohlen Knochenkämme der Lambeosaurinen, wie Parasaurolophus, nicht übernehmen; die Gefahr der Beschädigung dieser Gebilde war einfach zu groß. Wahrscheinlich beschränkten sich diese Entenschnabeldinosaurier auf drohende Kopfbewegungen unter besonderer Betonung ihrer Schädelauswüchse, begleitet von tiefen Lautäußerungen. Bei höherer Intensität der Auseinandersetzung versuchten sie vielleicht einander mit ihren Vorderfüßen zu treten oder einfach sich gegenseitig wegzuschieben. Auch hierbei waren Verletzungen nicht ausgeschlossen. Am Skelett eines Parasaurolophus dokumentieren drei auf der linken Seite gelegene Rippen, die an der selben Stelle gebrochen und danach im gleichen Ausmaß wieder zusammengewachsen waren (Abel, 1939), deutlich, daß sich diese Tiere gelegentlich erbitterte Kämpfe lieferten.

Auch die eigenartigen Pachycephalosaurier lebten in kleineren Herden zusammen und trugen demzufolge Kämpfe um die soziale Rangfolge aus. Charakteristisches Merkmal dieser Dickschädeldinosaurier ist das mitunter enorm verdickte Schädeldach. Die Vertreter der Gruppe der Pachycephalosauriden besitzen extrem domartige Stirnwölbungen, die am 624 mm langen Schädel der Art Pachycephalosaurus wyomingensis eine Dicke von 222 mm aufweisen können. Rund um die Basis des massiven Schädeldaches erheben sich oftmals verknöcherte Hautstrukturen in der Form kleiner Dornen oder Höcker. Möglicherweise dienten die verdickten Schädelstrukturen den Tieren bei den Rangordnungskämpfen innerhalb der Herde als Rammbock (Colbert, 1955; Galton, 1971; Sues, 1978), indem sie ähnlich wie Dickhornschafe aufrecht auf ihren Hinterbeinen auf einander zuliefen und von oben herab mit ihren Köpfen zusammenstießen. Wie die Schädelmorphologie und die Konstruktion der durch starke Sehnen versteiften Wirbelsäule zeigen, konnte die Wucht des Aufpralls optimal abgefedert werden.

Bevor die Tiere mit voller Wucht aufeinander losgingen, versuchten sie sich gegenseitig durch Drohgebärden einzuschüchtern. Vielleicht erhoben sie vor dem Angriff laut bellend ihren Kopf - ein Signal, welches zur Drohgeste wurde.

Die zweite Gruppe der Pachycephalosaurier, die Homocephaliden, unterscheiden sich von den Pachycephalosauriden durch ihre flacheren Schädel, deren Oberfläche stark skulpturiert ist und vielleicht am lebenden Tier von hornartigen Schildern bedeckt wurde. Innerartliche Meinungsverschiedenheiten trugen die recht kleinen Homocephaliden, wie Homocephale aus der Nemegt Formation (Obere Kreide) der Mongolei, weniger mit Schädelrammen aus, vielmehr maßen sie ihre Körperkräfte im Ringen: Sie senkten ihre Köpfe und stießen Schädeldach gegen Schädeldach aufeinander. Nun trachtete jeder von ihnen danach, den anderen vom Platze zu schieben. Die Skulpturierung der Schädeloberfläche verhinderte ein Abgleiten der Kämpfer. Sobald einer der Rivalen vom Platz geschoben wurde, endete der Kampf. Erkannte einer der beiden Gegner, daß er den Kräften seines Gegenübers nicht gewachsen war, nahm er eine Demutstellung ein oder flüchtete einfach.

Rangordnungskämpfe innerhalb der Rudel der Deinonychosaurier könnten vielleicht mittels der furchtbaren Sichelkrallen ausgetragen worden sein. Dies ist jedoch auf Grund der Gefährlichkeit dieser Waffen sehr unwahrscheinlich. Es bestände einfach eine zu große Verletzungsgefahr. Bei Rangordnungskämpfen geht es doch letztlich darum, eine bestimme Gruppenstruktur aufzubauen, und nicht darum, diese durch den Einsatz todbringender Waffen in Frage zu stellen. Und so kämpfen gerade in Gruppen lebende Raubtiere vollkommen anders miteinander als mit ihren Beutetieren. Ihre Angriffe richten sich nur selten gegen verletzliche Körperstellen. Gefährliche Waffen werden, wenn überhaupt, nur schonend eingesetzt, oftmals bilden sich wirksame Unterwerfungsgesten heraus, die den Mord am Artgenossen verhindern.